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Libera Nos A Malo (Deliver us from evil)

Corona Transition

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Feed Titel: Transition News


Ehemaliger Abgeordneter kritisiert «Heuchelei» der EU in Bezug auf den Völkermord in Gaza

Mick Wallace, ein ehemaliges Mitglied des EU-Parlaments fĂŒr Irland, hat BrĂŒssel vorgeworfen, «total mitschuldig» an dem zu sein, was er als Israels Völkermord in Gaza bezeichnet. Wie Natural News berichtet, hat Wallace die EU in einem Interview fĂŒr ihre unerschĂŒtterliche UnterstĂŒtzung Israels verurteilt. Dabei ignoriere sie den Tod von zigtausenden Menschen und missachte das Völkerrecht eklatant.

Wallace kritisierte vor allem die PrĂ€sidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen und die PrĂ€sidentin des EuropĂ€ischen Parlaments Roberta Metsola. Er warf den beiden vor, Tel Aviv nach den AnschlĂ€gen vom 7. Oktober einen «Blankoscheck» ausgestellt zu haben. Keine der beiden habe das Vorgehen Israels öffentlich kritisiert, obwohl die Zahl der zivilen Todesopfer, darunter auch viele Kinder, hoch und die Zerstörung groß seien.

Wallace wies auch auf die Heuchelei der EU hin, die das Aushungern der PalĂ€stinenser verurteile, aber gleichzeitig Israels MilitĂ€rkampagne unterstĂŒtze. Zudem warf er den Staats- und Regierungschefs der MitgliedslĂ€nder vor, «keine Moral» zu haben und dem Völkerrecht keine PrioritĂ€t einzurĂ€umen.

DarĂŒber hinaus kritisierte er die EU-Außenpolitikchefin Kaja Kallas und deutete an, dass die von ihr vorgeschlagene formelle Reaktion auf Israels Aktionen unzureichend sei. Wallace witzelte sogar, dass Kallas nicht in der Lage wĂ€re, einen Job in einem CafĂ© zu bekommen, weil «sie keine Ahnung hat».

Das Assoziierungsabkommen der EU mit Israel enthĂ€lt eine Menschenrechtsklausel, doch Wallace argumentierte, dass diese keine Wirkung habe. DiesbezĂŒglich konstatierte er, dass noch kein einziger Mitgliedstaat «seine GeschĂ€ftsbeziehungen zu Israel beendet hat». Wallace fĂŒgte hinzu, dass die «Heuchelei aus dem Haus trieft».

Schließlich kritisierte Wallace Deutschland, Israels wichtigsten EU-Waffenlieferanten. Er betonte, dass er «jeden EU-Mitgliedsstaat fĂŒr schuldig» halte, da der Völkermord in PalĂ€stina aufgrund der UnterstĂŒtzung durch die USA und Europa stattfinde.

Die tiefen Spaltungen der Bevölkerung in den USA

Dieser Videobeitrag erschien zuerst auf Apolut. Transition News durfte ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors ĂŒbernehmen.

***

Es ist nicht mehr zu ĂŒbersehen: die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika ist zutiefst gespalten. Auf den ersten Blick macht sich das fest am Zwist zwischen Demokraten und Republikanern. Hinter den parteipolitischen Fronten finden wir allerdings GegensĂ€tze, die schon uralt sind und lediglich durch die immer erneut beschworenen angeblichen Bedrohungen von außen kaschiert werden konnten.

Nicht nur der BĂŒrgerkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts offenbarte tiefe Risse und Feindseligkeiten. Immer neue Völkerschaften wanderten in die USA ein, und das Misstrauen der Alteingesessenen gegen die «Neuen» steigerte sich immer wieder in furchtbaren Pogromen. Besonders der Terror gegen die Afroamerikaner nahm bisweilen Dimensionen eines BĂŒrgerkriegs an.

Erst die US-PrÀsidenten Franklin Delano Roosevelt, John F. Kennedy oder Lyndon Baynes Johnson konnten die US-Gesellschaft in ruhigere Fahrwasser bringen. Doch jetzt wird erneut Benzin ins Feuer gegossen, und die Desintegration der US-Gesellschaft nimmt wieder dramatisch Fahrt auf.

EU will mehr Macht in der Gesundheitspolitik

Die EuropĂ€ische Kommission hat im Rahmen ihrer Agenda «fĂŒr eine krisenfeste Union» zwei neue Strategien vorgestellt, die sich auf die strategische Bevorratung und medizinische Gegenmaßnahmen zur StĂ€rkung der «Krisenbereitschaft» und der «Gesundheitssicherheit» konzentrieren. Sie basieren auf den Empfehlungen des Niinistö-Berichts. L'Indipendente kritisiert, dass dies «mit der ĂŒblichen technokratischen Rhetorik des â€čVorbeugens ist besser als Heilenâ€ș» geschehe. Die italienische Zeitung kommentiert:

«Hinter dem beruhigenden Wortschatz von Governance und operativer Effizienz, von â€čWiderstandsfĂ€higkeitâ€ș, â€čkoordinierten Strategienâ€ș und â€čSolidaritĂ€tsinitiativenâ€ș verbirgt sich ein bĂŒrokratisches System der zentralisierten Verwaltung. Dieses scheint den Ausnahmezustand als alltĂ€gliche Praxis herauskristallisieren zu wollen, indem es ein sicherheitspolitisches und bioadministratives Paradigma normalisiert, das nun reale Bedrohungen außer Acht lĂ€sst, um einen permanenten Zustand der Mobilisierung auf der Grundlage der Schocktheorie aufrechtzuerhalten.»

Im Einzelnen sieht die Strategie der Vorratsbildung die Schaffung eines europĂ€ischen Netzwerks zur Überwachung und Verwaltung lebenswichtiger GĂŒter wie Lebensmittel, Wasser, Medikamente und Treibstoff vor. Die Maßnahmen zielen darauf ab, die Versorgung mit lebenswichtigen GĂŒtern «zu jeder Zeit» sicherzustellen. Dazu sollen LagerbestĂ€nde auf EU-Ebene erweitert werden, «um LĂŒcken bei lebenswichtigen GĂŒtern zu schließen, unterstĂŒtzt durch Initiativen wie rescEU fĂŒr medizinische AusrĂŒstung, UnterkĂŒnfte, Generatoren und mehr». Auch sollen «Transport und Logistik fĂŒr eine schnelle Krisenreaktion» verbessert und zivil-militĂ€rische, öffentlich-private und internationale Partnerschaften verbessert werden, «um die Ressourcennutzung effizient und rechtzeitig zu maximieren.» L'Indipendente erklĂ€rt:

«OberflĂ€chlich betrachtet ist das nichts Ungewöhnliches: Die Logik der Vorratshaltung mag vernĂŒnftig erscheinen, aber das Problem ist, dass die Krise als stĂ€ndige Rechtfertigung fĂŒr die Konzentration von Macht, die Zentralisierung von Entscheidungen und die Ausgrenzung nationaler Autonomien herangezogen wird.»

Mit der zweiten Initiative will die EU eine Reihe von «medizinischen Gegenmaßnahmen» auf den Weg bringen:

  • Weiterentwicklung von Grippeimpfstoffen der nĂ€chsten Generation
  • neue Antibiotika zur BekĂ€mpfung der antimikrobiellen Resistenz
  • antivirale Mittel gegen vektorĂŒbertragene Krankheiten
  • Verbesserung des Zugangs zu Schutzmaßnahmen gegen chemische, biologische, radiologische und nukleare Gefahren

Weiter sollen die globale und sektorĂŒbergreifende Zusammenarbeit gestĂ€rkt, eine EU-Liste vorrangiger medizinischer Gegenmaßnahmen erstellt und der Zugang zu Arzneimitteln und deren Verbreitung durch gemeinsame Beschaffung verbessert werden.

Die Kommission kĂŒndigt auch die Beschleunigung des HERA-Invest-Programms an – ein Finanzinstrument der EU, das Biotech-Unternehmen bei der Entwicklung medizinischer Gegenmaßnahmen unterstĂŒtzt –, und die Sicherstellung «einer skalierbaren Produktion durch die stĂ€ndig warme KapazitĂ€t der EU-FAB und die neue RAMP UP-Partnerschaft». L'Indipendente erlĂ€utert:

«In der Praxis wird damit ein bioindustrieller Komplex institutionalisiert, der sich selbst ernĂ€hrt und Lösungen fĂŒr Probleme produziert, die er mitverursacht oder verstĂ€rkt hat, um die öffentliche Meinung zu verĂ€ngstigen und drakonische Maßnahmen zu legitimieren.
Die Ziele? Die ĂŒblichen Bedrohungen: von Atemwegs- und Kontaktviren mit pandemischem Risiko wie Covid-19 ĂŒber Zoonosen wie die Vogelgrippe bis hin zu neu- und wiederauftretenden Krankheiten wie Ebola und der berĂŒchtigten â€čKrankheit Xâ€ș, einer fiktiven EntitĂ€t, die von der WHO geschaffen wurde, um die stĂ€ndige GesundheitsĂŒberwachung und die unbegrenzte Ausweitung der Biomacht zu rechtfertigen.
Wir haben es mit einem Governance-Modell zu tun, das hypothetische Risiken ausnutzt, um die RealitĂ€t zu gestalten. Es erschafft einen unsichtbaren Feind – ein noch unbekanntes Virus –, um Milliardenausgaben, EinschrĂ€nkungen der Grundrechte und den Vormarsch eines neuen Leviathans im Bereich der technologischen GesundheitsfĂŒrsorge zu legitimieren, der zunehmend einer Mischung aus Big Pharma, NATO und WHO Ă€hnelt.»

GemĂ€ĂŸ der Zeitung ist es bei diesen Strategien unmöglich, nicht an den Globalen «Pandemievertrag» der WHO zu denken, der sich noch in der Abschlussphase befindet. Beide europĂ€ischen Initiativen wĂŒrden sich in den Rahmen dieses Abkommens einfĂŒgen, das die Schaffung eines integrierten globalen BioĂŒberwachungssystems auf der Grundlage von kĂŒnstlicher Intelligenz, Massentests und biometrischer Datenerfassung vorsieht. Auch hier ist nie offen von einem demokratischen Konsens oder von BĂŒrgerrechten die Rede, sondern nur von «Skalierbarkeit», «Effizienz» und «WiderstandsfĂ€higkeit».

Gerade der Begriff «WiderstandsfĂ€higkeit» sei das Leitmotiv, das von Hadja Lahbib, Kommissarin fĂŒr Gleichberechtigung und Krisenvorsorge, missbraucht werde. So erklĂ€rte die Belgierin in ihrem Kommentar zu den neuen Maßnahmen der EU, dass «durch die StĂ€rkung unserer Vorsorge und WiderstandsfĂ€higkeit» nicht nur «wichtige VersorgungsgĂŒter und medizinische Ressourcen» gesichert, sondern «unsere Gemeinschaften» auch befĂ€higt wĂŒrden, «kĂŒnftige Herausforderungen mit Zuversicht zu bewĂ€ltigen».

Lahbib wurde berĂŒchtigt, als sie ein Video mit dem Titel «What's in my bag? Survival Edition» veröffentlichte, in dem sie aufzeigte, welche GegenstĂ€nde man in einer «Krise» immer bei sich haben sollte, um mindestens 72 Stunden zu ĂŒberleben.

L'Indipendente resĂŒmiert:

«BrĂŒssel formalisiert damit den Übergang von der Ausnahme zur Regel: Der Krisenzustand ist nicht mehr die Ausnahme, sondern der neue Normalzustand, der durch Angst, NotfĂ€lle und Medienterrorismus genĂ€hrt wird. Wie jede autoritĂ€re Architektur, die etwas auf sich hĂ€lt, stĂŒtzt sich auch diese auf einen unverzichtbaren Pfeiler: die Angst.
Es handelt sich um eine weitere Etappe eines umfassenderen Prozesses: den Aufbau einer normativen, logistischen und ideologischen Infrastruktur, die darauf abzielt, die Macht zu zentralisieren und die prĂ€ventive Kontrolle ĂŒber die Bevölkerung zu festigen, die immer mehr medizinisch behandelt wird und immer weniger souverĂ€n ist – im Rahmen eines Notfallkapitalismus, der die Krise monetarisiert und die Angst institutionalisiert.
Der Gesundheitsterror ist das grundlegende Element der neuen europĂ€ischen Ordnung: eine weit verbreitete und kunstvoll kultivierte Angst, die dazu dient, die Alarmbereitschaft hoch und die öffentliche Debatte niedrig zu halten. Jeder Notfall ist gut, um neue Ausnahmeregelungen, neue Sondermaßnahmen, neue Kontrollinstrumente zu rechtfertigen.»

Brosius-Gersdorf wettert gegen Kritiker – klammert aber ihre Haltung zur COVID-«Impf»pflicht aus

Nach der gescheiterten Wahl von drei Verfassungsrichtern im Bundestag hat die von der SPD vorgeschlagene Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf Angriffe gegen sie als «diffamierend» und «realitĂ€tsfern» zurĂŒckgewiesen. Das berichtet der Focus unter Berufung einer heute veröffentlichten ErklĂ€rung der Professorin fĂŒr öffentliches Recht an der UniversitĂ€t Potsdam. Die Zeitung Welt zitiert ebenfalls aus dieser ErklĂ€rung die Passage, in der Brosius-Gersdorf betont, dass die Darstellung ihrer Person in einigen Publikationen «unzutreffend und unvollstĂ€ndig, unsachlich und intransparent» gewesen sei.

Bemerkenswert dabei ist, dass Brosius-Gersdorf nur auf folgende drei Themen der Medienberichterstattung abhebt:

  • Die Berichterstattung ĂŒber ihre Position zur Reform des Schwangerschaftsabbruchs
  • Die Berichterstattung zu ihrer Haltung zu einem Kopftuchverbot
  • Die Berichterstattung zu ihren Einlassungen zu ParitĂ€tsmodellen fĂŒr die Wahl des Bundestags. Dabei geht es um VorschlĂ€ge oder gesetzliche Regelungen, die eine ausgewogene ReprĂ€sentation von Frauen und MĂ€nnern im Parlament sicherstellen sollen – also um eine geschlechterparitĂ€tische Mandatsverteilung. So ist das Wahlrecht in Deutschland formell geschlechtsneutral, aber in der Praxis sind Frauen im Bundestag unterreprĂ€sentiert. Um dem entgegenzuwirken, wird ĂŒber sogenannte ParitĂ€tsgesetze diskutiert.

Bemerkenswert ist dies deswegen, weil das Thema COVID-«Impf»pflicht komplett ausgeklammert wird – sowohl von Brosius-Gersdorf selbst in ihrer ErklĂ€rung als auch in den Berichten von Focus und Welt. Dabei ist ihre Haltung zu dieser Thematik der eigentliche Skandal. So sagte sie am 7. April 2021 in einem Interview mit SAT.1 Regional (siehe auch Video mit dem Interview unten):

«Gut, wer ein Impfangebot erhĂ€lt vom Staat und das nicht in Anspruch nehmen möchte, der kann das so entscheiden fĂŒr sich, aber der muss auch mit den Konsequenzen leben. Das heißt, fĂŒr solche Personen muss der Staat die Freiheitsrechte nicht so rasch zurĂŒckgewĂ€hren.»


Zum Anschauen des Videos bitte auf das Bild klicken; Quelle: Telegram-Kanal Horizont (YT: _horizont_ )

Ende 2021 legt sie sogar noch eine Schippe drauf und veröffentlichte gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Stellungnahme an der UniversitĂ€t Leipzig, in der sie ausfĂŒhrlich argumentierte, eine allgemeine COVID‑19‑Impfpflicht sei verfassungsrechtlich möglich – und ĂŒberdies möglicherweise sogar verfassungsrechtlich geboten.

Skandalös ist dies vor allem auch deshalb, weil die Sicherheit und Wirksamkeit der COVID-Injektionen nie bewiesen worden ist (siehe dazu den TN-Artikel «Das Fiasko bisheriger Impfstoff-Placebo-Studien: Warum Kennedys Forderung nach soliden Placebo-Analysen gerechtfertigt ist – Teil 2 â€čPolio, HPV, COVID, Tuberkuloseâ€ș»).

Ein gewisser «Achim S.» schreibt in diesem Zusammenhang in einem Kommentar zum besagten Welt-Artikel:

«Können wir uns noch an die frechen Corona-LĂŒgen von Politikern und â€čExpertenâ€ș erinnern und, nachdem alles aufgeflogen war, wie sie versucht haben sich auszureden? Sogenannte â€čImpfgegnerâ€ș wurden nicht nur als Covidioten diffamiert, sondern auch als Oma- und Opa- Mörder dargestellt.»

«solar eclipse» wiederum meint:

«Allein der von Frau B-G geforderte Impfzwang in der Coronakrise ist eine Disqualifikation fĂŒr ein solches Amt. NeutralitĂ€t sieht anders aus.»

Und «Stefan L.» macht noch auf folgenden pikanten Umstand aufmerksam:

«Noch im Februar 2023 forderte sie in einem juristischen Fachbeitrag [fĂŒr den Gesundheitsrecht.blog], dass Ungeimpfte an ihren kassenĂ€rztlichen Behandlungskosten beteiligt werden sollten. Ihre BegrĂŒndung fĂŒr eine â€čfinanzielle Bestrafung Ungeimpfterâ€ș ist bemerkenswert, die Zeitachse – Feb. 2023 – spricht BĂ€nde, sie ist erschreckend: Menschen ohne Corona-Impfung wĂŒrden ein â€čbesonders gefĂ€hrliches Verhaltenâ€ș an den Tag legen.»

brosius_7_april_2021.mp4 (application/mp4 7.97)

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Feed Titel: Verfassungsblog


Independence as a Desideratum

A recent report claiming that EU tech regulation has entered the ongoing trade negotiations with the U.S. has sparked fears that enforcement of the Digital Services Act (DSA) might be halted altogether. Although the DSA only came into full effect in February 2024, the European Commission’s subsequent enforcement has already showcased conflicts regarding its role as an autonomous political and administrative enforcement body. Considering the potential impact of the DSA on online communication, the Commission’s current role in DSA enforcement raises serious concerns. This calls for a search for alternative models of DSA enforcement. Three options present themselves.

A discrepancy in the DSA enforcement system

Art. 1(1) DSA explicitly states that ensuring a “safe, predictable, and trustworthy online environment” requires the regulation of online platforms. This, in turn, demands proper law enforcement that is both effective and appropriate. Considering the potential impact of the DSA on online communication and the subsequent effects on fundamental rights, it is particularly important to shield all DSA enforcement processes from pressure from political or interest groups to ensure independent decision-making. Accordingly, Art. 50(2) DSA mandates the “complete independence” of the national authorities responsible for enforcing the DSA (Digital Services Coordinators).

The DSA, however, does not impose similar requirements on the European Commission, which is mainly responsible for overseeing very large online platforms (VLOPs) under Art. 56(2, 3) DSA. This distinction is notable, not only because direct enforcement of EU law by the Commission has generally been an exception, (see here, p. 404), or because the internally responsible Directorate-General for the DSA – DG Connect – lacked the necessary enforcement expertise at the time of the framework’s passing. What’s striking is that the Commission – despite being a politically embedded (Art. 17(7) TEU) and controlled (Art. 17(8) TEU, 234 TFEU) authority, and the Union’s agenda-setting “gatekeeper” by virtue of its initiative monopoly (Art. 17(2) TEU; see here, p. 227ff.) –, is responsible for enforcing the DSA. Though based on the internal market competence of Art. 114 TFEU, the DSA significantly touches upon the digital spaces where much of today’s online communication takes place (see here, p. 609f.).

As a political actor, the Commission is naturally judged by its political successes; but it also has to navigate competing policy objectives. Both dynamics are likely to have negative implications for DSA enforcement. Since the Commission operates based on the principle of collegiality, even administrative decisions made at the bureaucratic level must be presented to the College of Commissioners if they are of importance or political sensitivity – such as adopting non-compliance decisions pursuant to Art. 73 DSA regarding non-EU VLOPs. The early enforcement phase of the DSA by the Commission stresses these concerns, as signs of over- as well as under-regulation have already become evident. This is not least harmful to the legitimacy of the EU, which is based on the rule of law (Art. 2 TEU).

Reflecting on the Commission’s initial DSA enforcement

The initial phase of enforcement showed signs of over-regulation. This was best exemplified by Thierry Breton, the former Commissioner for Internal Market (2019-2024). He was responsible for overseeing the early enforcement of the DSA by the Commission. In this role, he gained particular attention through his open letters concerning online platforms such as X. The content of these letters often left unclear whether he was speaking as a politician or a regulator. Since an international online platform company like X typically provides a globally standardized single product that facilitates communication across continents and legal systems (see here, p. 607), the DSA could be used as an instrument to regulate processes on platforms that primarily or entirely concern non-EU countries. When an interview between Trump and Musk was announced as part of an U.S. election campaign, available worldwide through a livestream on  X, Breton attempted to intervene by posting a public letter addressed to Musk. Emphasising X’s legal obligations to comply with the DSA, he warned Musk about the consequences of disseminating “harmful content” with “potential spillovers in the EU”. This was met with criticism of “electoral interference”, and even prompted a response from multiple civil society organisations calling on Breton to “stop politicising the Digital Services Act”.

Conversely, ever since the beginning of Trump’s second presidency and the subsequent shift of the political landscape in the U.S. – where most VLOPs are based – there have been concerns over potential under-regulation regarding the DSA’s enforcement. The DSA had already became a political target during the U.S. election campaign, to such an extent that the future Vice-President of Trump suggested withdrawing U.S. NATO support over the regulation of X by the EU. Consequently, in the aftermath of the U.S. elections, members of the European Parliament expressed concern that the Commission “may back off from tough enforcement of rules that regulate social media [
] for fear of retaliation” from Trump. Since its inauguration, the new U.S. administration has only escalated the political pressure exerted on the EU over the DSA: Denouncing the regulation as “censorship”, threatening to launch tariff attacks as the DSA “will face scrutiny from the Administration”, or even announcing the restriction of visas for foreign nationals “who censor Americans”. This very likely means EU officials enforcing the DSA.

The concerns expressed by members of the European parliament now seem to have materialized. The Commission’s ongoing investigation into Musk’s X, who played a significant role in the new U.S. administration, suggests that DSA enforcement has indeed been swayed by political pressure. The formal proceedings appear to be influenced by unrelated considerations. The Commission is reportedly contemplating “the risks of further antagonizing Mr. Trump amid wider trans-Atlantic disputes over trade, tariffs and the war in Ukraine” when determining the extent of fines imposed for DSA violations. Other parts of tech-regulation have also already seen signs of a “de-regulatory turn” by the European Commission, and so future scenarios in which the Commission might “sacrifice the Digital Services Act” for political expediency appear increasingly plausible. The Digital Markets Act (DMA), considered the “sister” of the DSA and solely enforced by the Commission, is reportedly already part of ongoing U.S.-EU trade negotiations. Although the Commission denies these claims, this development sparks concerns over the effectiveness of this regulation.

The changing role of the Commission

Given the discussions about both over- and under-regulation, it is important to note that even the Commission itself did not originally intend to assume the significant role of primarily regulating VLOPs, which it now fulfils under Art. 56(2,3) DSA. Instead, under Art. 40(1) of the initial proposal for the DSA by the Commission in 2020, it was the national Digital Services Coordinators that were, among other responsibilities, primarily in charge of supervising and enforcing the DSA obligations for VLOPs to manage systemic risks (Chapter III, Section 4). Subsequently, the Commission took on a backseat role pursuant to Art. 50 and 51 of the proposal, only potentially getting involved when a VLOP was suspected or found to have violated the aforementioned DSA regulations.

The current version of the DSA thus reflects amendments made later in the legislative process. Member states assigned the Commission to “have exclusive powers for the supervision and enforcement of the obligations applicable to [VLOPs]” in Art. 44a(1a) of the 2021 DSA proposal by the Council of the European Union. They were possibly motivated by efforts to ensure an adequate counterpart to the economic power VLOPs possess or to prevent a “regulatory capture” of national authorities as experienced in enforcement of the GDPR (see here, Art. 56, ref. 15). As noted, however, the tension between the political and regulatory objectives within the Commission causes a new kind of enforcement concern. In light of the DSA’s far-reaching implications for online communication, what is needed going forward is an enforcement body that is sufficiently independent from political pressure – accountable for its actions but not dependent on political successes. The protection of the relevant fundamental rights (e.g., Art. 11 CFR in relation to Art. 10 ECHR) that the DSA aims for pursuant to Art. 1(1) should not become subject to the whims of international politics as a result of biased enforcement.

Alternatives to guarantee independent DSA enforcement

Retaining the general enforcement structure of the DSA while assigning the role of the Commission to an enforcement body free from political pressure gives rise to three possible options: keeping the current DSA enforcement team within the Commission in charge while adding safeguards to ensure sufficient independence, establishing a new Regulatory European Agency, or creating a new independent body at the EU level.

The first option of additional safeguards has the benefit of building on the experience already gained from enforcing the DSA and may not require any changes to the text of the DSA itself. However, it raises the question of how to ensure sufficient independence of an enforcement team within the Commission. Potential sources of inspiration could be drawn from Eurostat, the statistical office of the EU, or OLAF, the European Anti-Fraud Office, as both entities are established within the Commission yet considered independent in certain respects. In order to ensure the professional independence of Eurostat, for example, correspondent safeguards are implemented with Art. 2(1)(a), 6(2) of Regulation (EC) No. 223/2009 and the first core principle of the European Statistics Code of Practice. Furthermore, Art. 6a(3) of Regulation (EC) No. 223/2009 also protects the Eurostat Director-General, although they are selected and appointed by the Commission, from seeking or taking instructions from other institutions or bodies when performing certain statistical tasks. At the same time, Eurostat remains accountable through mechanisms such as parliamentary oversight pursuant to Art. 6a(4) of Regulation (EC) No. 223/2009, which contributes to the legitimacy of the Commission; it is part of the broader European statistical framework System, which also encompasses peer reviews of Eurostat, and judicial review through the European Court of Justice. As long as DSA enforcement remains within the Commission itself, however, there remains a risk that political pressure could be exerted through other internal means (e.g., hiring or firing personnel, budget decisions). While Eurostat and OLAF may serve as possible blueprints for implementation, their unique positions within the Commission are strengthened by their respective connections to EU primary law (Art. 338(2), 325 TFEU) – a legal anchor that a DSA enforcement body would lack.

A second option would be establishing a new Regulatory European Agency through EU secondary law, responsible for enforcing the DSA instead of the Commission. This option, which the European Parliament also considered (e.g. during a 2020 resolution), relies on a type of decentralized EU body that has been increasingly used over the past decades and incorporates varying levels of formal independence. The establishment of a Regulatory European Agency has also been recommended regarding the Commission’s problematic role in independent DMA enforcement, given its benefits like increased flexibility, more options for participation by Member States, and greater spatial autonomy (see here, p. 433, 309ff.). Moving DSA enforcement out of the Commission may likely result in an increase of systemic independence but it might impact ongoing procedures during the transitional period, with previously accrued expertise potentially to be lost as well. But establishing a European Regulatory Agency could prove to be extremely efficient in the long-run: in its objectives, structure, and staffing, it is wholly designed for the purpose of DSA enforcement. Nonetheless, the accountability and legitimacy of European Regulatory Agencies remain subjects of ongoing academic debate. Delegating this task also raises significant legal challenges. As the DSA grants the Commission a range of powers – from adopting non-compliance decisions to issuing certain implementing or delegated acts – the principles of the ECJs (modified) “Meroni doctrine” must be considered in particular, which serves as a limit for the permissible delegation of decision-making powers.

Finally, an entirely new independent body could be established on the EU level to enforce the DSA in the Commission’s stead, drawing inspirations from institutions such as the European Central Bank. Notably, the European Parliament also considered this option during a legislative initiative process on the DSA, with one committee draft report supporting “the creation of an independent EU body to exercise effective oversight of compliance with the applicable rules”. Compared to the previous options, establishing an entirely new independent body on the EU level notably offers most freedom of design in ensuring independence. This freedom comes at the price of a comparatively higher legislative effort, however. Also, the wide range of possible design choices offers no guarantee of increased independence. Rather, the option functions as an institutional “wildcard” – one that opens the door to many potential approaches to legitimacy, accountability and dimensions of independence that may or may not be in favour of the intended change in DSA enforcement. But because of its range of possibilities, it also should not be dismissed too early. Considering the ever-increasing role of communication on VLOPs, the unusual decision to enforce the regulation at the EU level may likewise call for an equally unorthodox choice of enforcement authority.

While the need for independent DSA enforcement calls for changes in the current role of the Commission, alternative options preserving the broader enforcement framework of the DSA do exist. Although immediate changes are not feasible, considering the previously outlined discussions toward over- and under-regulation, this contribution may serve as an initial step toward a necessary debate on independent DSA enforcement at the EU level.

The authors are researching the topic of this blog post as part of the DSA Research Network, which is funded by Stiftung Mercator.

The post Independence as a Desideratum appeared first on Verfassungsblog.

Die Sache mit der MenschenwĂŒrde

Im ersten Absatz des ersten Artikels des Grundgesetzes steht das bundesrepublikanische Glaubensbekenntnis: „Die WĂŒrde des Menschen ist unantastbar.“ Kein anderer Satz ist in Deutschland derart demonstrativ konsensfĂ€hig, kein anderer Satz bedient derart das deutsche BedĂŒrfnis nach moralischer, nicht zuletzt erinnerungspolitischer Selbstvergewisserung, und kein anderer Satz der Verfassung eignet sich gerade deshalb derart gut fĂŒr politisch zweckentfremdete Feindmarkierungen.

In einem der unrĂŒhmlichsten VorgĂ€nge der jĂŒngeren deutschen Politikgeschichte hat das die Potsdamer Professorin Frauke Brosius-Gersdorf erfahren mĂŒssen. Bekanntlich kollabierte noch am Tag ihrer geplanten Wahl die notwendige Zweidrittelmehrheit, weil innerhalb der Unionsfraktion etwa sechzig Abgeordnete signalisierten, nicht fĂŒr die Kandidatin stimmen zu wollen. Der sachliche Tagesordnungspunkt wurde flugs entfernt, stattdessen entspann sich im Plenum eine parlamentspolitische Debatte; begleitet, besser: getrieben von einer einigermaßen beispiellosen Kampagne rechtsorientierter Medienunternehmen. Abgesehen von dem ebenso rasend schnell produzierten wie ausgerĂ€umten Plagiatsvorwurf eines bereits wegen ĂŒbler Nachrede vorbestraften „PlagiatsjĂ€gers“ stellte das ZentralstĂŒck der VorwĂŒrfe eine angebliche Missachtung der MenschenwĂŒrde dar.

Die zwei „Lösungen“ des Bundesverfassungsgerichts

Sie grĂŒndeten sich wesentlich auf den Auffassungen der Juristin zu den konstitutionellen Grenzen des Schwangerschaftsabbruchs (vgl. die heutige Stellungnahme von Frauke Brosius-Gersdorf). In der vorangegangenen Legislaturperiode war sie stellvertretende Koordinatorin einer Kommission „zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“, die in ihrem Abschlussbericht empfahl, den Abbruch in der FrĂŒhphase der Schwangerschaft als vollumfĂ€nglich rechtmĂ€ĂŸig anzuerkennen – statt ihn wie gegenwĂ€rtig nach § 218a StGB nur unter bestimmten UmstĂ€nden vom Tatbestand auszunehmen oder zu rechtfertigen. In den sozialen Medien wurde zusĂ€tzlich der anderthalb SĂ€tze umfassende Ausschnitt aus einem Festschriftbeitrag fĂŒr ihren akademischen Lehrer Horst Dreier skandalisiert, in dem sie schrieb: „Die Annahme, dass die MenschenwĂŒrde ĂŒberall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss“ (F. Brosius-Gersdorf, S. 756). Das ist eine juristisch vertretbare und analytisch begrenzte Feststellung. DarĂŒber, wo die MenschenwĂŒrde positiv greift, ist schließlich noch nichts gesagt. Zugleich ist sie nur vor dem Hintergrund zweier grundlegender Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen zu verstehen.

Das Bundesverfassungsgericht kassierte im Jahr 1975 den kurz zuvor von der sozialliberalen Koalition reformierten § 218 StGB, der eine sogenannte Fristenlösung beinhaltete. Im ersten Trimester der Schwangerschaft sollte der Abbruch gĂ€nzlich straffrei bleiben. Mit diesem Urteil war nicht unbedingt zu rechnen. Im Grundgesetz ist bis auf eine Ausnahme (Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG) keine Norm zu finden, die die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens positiv gebietet. Das Gericht ließ sich davon nicht beeindrucken. Aus dem Grundrecht auf Leben konstruierte es vielmehr eine sogenannte Schutzpflicht, die dem Gesetzgeber die Entkriminalisierung geradewegs untersagte. Damit nicht genug, ihm war sogar eine bestimmte strafrechtliche Ausgestaltung anbefohlen. Er durfte allenfalls eng umgrenzte GrĂŒnde (beispielsweise schwere soziale Not oder Gewalteinwirkung) benennen, die die individuelle Strafe – nicht: die Rechtswidrigkeit – ausnahmsweise entfallen ließ. Im zweiten Urteil von 1993 blieb das Bundesverfassungsgericht bei der Schutzpflicht, rang sich aber dennoch dazu durch, eine pauschale Fristenlösung unter der Maßgabe zu akzeptieren, dass der weiterhin rechtswidrige Abbruch bis zur 12. Woche nur dann straffrei blieb, wenn zuvor eine Beratung (daher: „Beratungslösung“) erfolgt war.

Die zwei Seiten der MenschenwĂŒrde

Bei diesen beiden Urteilen nun spielte die MenschenwĂŒrde eine merkwĂŒrdige, fĂŒr sie allerdings charakteristische Doppelrolle. Sie ist einerseits Rechtssatz. Im besagten ersten Absatz des ersten Grundgesetzartikels steht sie wohl als ein Grundrecht unter anderen. Diese (abwehr-)rechtliche Seite verbietet konkrete Eingriffe absolut, etwa die Folter oder den Abschuss eines von Terroristen entfĂŒhrten Flugzeugs. Ist der sogenannte Schutzbereich der MenschenwĂŒrde einmal berĂŒhrt, kann das staatliche Handeln unter keinem Gesichtspunkt mehr gerechtfertigt sein. Auf diese Hinsicht kam es in beiden Urteilen indes niemals an. Das ist auch kaum ĂŒberraschend, denn durch die Tötung eines Menschen ist dessen MenschenwĂŒrde nicht per se verletzt. Das Grundgesetz erlaubt in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG ausdrĂŒcklich, in das Lebensrecht aufgrund eines Gesetzes einzugreifen. Weiterhin hĂ€tte das Gericht andernfalls auch keine wie auch immer gearteten Ausnahmen von der Strafe zulassen können. Das Grundrecht der MenschenwĂŒrde ist der AbwĂ€gung nicht zugĂ€nglich.

Was also ist uns die MenschenwĂŒrde noch? Sie ist ein Wert. Ohne die philosophisch recht tragische Geschichte des modernen Wertbegriffs aufrollen zu wollen, ist doch festzustellen, dass wir es mit einem höchst ambivalenten Gegenstand zu tun haben. In Sonderheit das Bundesverfassungsgericht bedient sich seit dem LĂŒth-Urteil von 1958 mit grĂ¶ĂŸter Hingabe dieser Kategorie, um bestimmte verfassungsrechtliche Herleitungen metaphorisch ausladend auszuschmĂŒcken. Die MenschenwĂŒrde ist dabei als gesetzter „Mittelpunkt des Wertsystems der Verfassung“ besonders vielseitig einsetzbar. Im Rahmen des Schwangerschaftsabbruchs spielt sie eine bemerkenswerte Rolle. Weniger fungiert sie hier als Rechtsgrund, denn vielmehr als basso continuo eines höchstrichterlich erkannten sittlichen Minimums. FĂŒr den „Schutz des ungeborenen Lebens“ hĂ€tte es ja keinen Unterschied gemacht, ob die Eizelle subjektiv ab Befruchtung an der MenschenwĂŒrde teilhat oder das Lebensrecht diesen Vorgang lediglich objektiv zu schĂŒtzen verpflichtet. In beiden FĂ€llen wĂ€re die Kriminalisierungspflicht das Ergebnis gewesen.

Das Bundesverfassungsgericht als SittenwÀchter

Was die Verleihung der MenschenwĂŒrde an diese jeweilige Eizelle dahingegen ermöglicht, ist die Konstitution eines eigenstĂ€ndigen Subjekts im Mutterleib. Somit ist dem Schwangerschaftsabbruch nicht nur verfassungsrechtlich die Strafbarkeit verordnet, ihr ist auch vom „Wertsystem“ des Grundgesetzes – oder den Richtern (sic!) des damaligen Ersten Senats – eine „sozialethische Mißbilligung“ erteilt. Diese ĂŒbervĂ€terliche Anmaßung des Gerichts notierten Richterin v. BrĂŒnneck und Richter Simon in einem Sondervotum, und erwiderten spitz: „In einem pluralistischen, weltanschaulich neutralen und freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen bleibt es den gesellschaftlichen KrĂ€ften ĂŒberlassen, Gesinnungspostulate zu statuieren.“ In der zweiten Entscheidung von 1993 wird der Sittlichkeitspathos zwar oberflĂ€chlich weitgehend zurĂŒckgefahren, die „intensive, die Frau existentiell [!] betreffende Pflicht zum Austragen und GebĂ€ren des Kindes“ lĂ€sst sich der Senat gleichwohl nicht nehmen. Der Frau als Schwangeren bleibt das „Wertsystem“ des Grundgesetzes ein stahlhartes GehĂ€use.

Insofern stehen Kommissionsbericht und Festschriftbeitrag tatsĂ€chlich im Widerspruch zur ĂŒberkommenden Verfassungsauslegung des Bundesverfassungsgerichts. Das ist, anders als in diesen Tagen nicht selten unterstellt, keineswegs unĂŒblich. In der Rechtswissenschaft werden regelmĂ€ĂŸig Ansichten vertreten, die von denen des Gerichts abweichen – obgleich dessen Rechtsprechung in letzter Zeit gerade das Lebensrecht von kryptotheologischer VerselbststĂ€ndigung („Lebenspflicht“) auf persönliche Autonomie umgesattelt hat (vgl. insb. die Auseinandersetzung mit christlichen Standpunkten im Urteil zum Verbot geschĂ€ftsmĂ€ĂŸiger Sterbehilfe, Rn. 208-211). Ob sich die verfassungsrechtlich verbrĂ€mten „Gesinnungspostulate“ des Jahres 1975 gegen eine echte demokratische Aushandlung im Mehrheitsverfahren weiter sperren können, ist eine mindestens diskussionswĂŒrdige Frage. Im Nachgang des Kommissionsberichtes sprachen Melina Reyher und Luisa Weyers daher von einem möglichen „neuen Kompromiss“. Dass im Übrigen eine staatliche Einrichtung (und eine solche ist das Bundesverfassungsgericht entgegen einem verbreiteten Volksglauben genauso wie die Bundesregierung) der Wissenschaft keine geistige Marschroute vorgeben kann, dĂŒrfte sogar vielleicht von der Wissenschaftsfreiheit intendiert sein.

In Anbetracht der dargelegten Rechtsprechung wird allerdings ebenfalls allzu einsichtig, warum sich die MenschenwĂŒrde fĂŒr jene konturlose, totalisierte, enthemmte Diskursdynamik besonders gut hergibt, die in den letzten Tagen so fĂŒrchterlich ĂŒber die deutsche Öffentlichkeit hereinbrach: Die Behandlung der MenschenwĂŒrde in spezifisch juristischen Kontexten, mitsamt deren methodischen und geltungstheoretischen Annahmen, lĂ€sst sich umstandslos in die polemische Gefechtszone universalistischer Moral hineintragen. Wer die MenschenwĂŒrde mit dem herkömmlichen juristischen Instrumentarium als Recht behandelt, lĂ€uft unmittelbar Gefahr, ihr als „Wert“ ausgeliefert zu sein. So kann man in der Zeitung „Die Welt“, in „Nius“ oder aus dem rechtskatholischen Milieu heraus Frauke Brosius-Gersdorf der vermeintlich fehlenden „Achtung“ der MenschenwĂŒrde bezichtigen, aus der gesellschaftlichen „Mitte“ – knapp 75% der Deutschen befĂŒrworten einen rechtmĂ€ĂŸigen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen – verbannen und sie mitunter auch kaum verhohlen als Menschenfeindin diffamieren, ohne dass der ursprĂŒngliche, wissenschaftliche Publikationszusammenhang dort jemandem Grund zum Zögern gibt. Eine rechtswissenschaftlich abgestĂŒtzte Kritik beansprucht niemand auch nur ansatzweise; man hat eben immerhin die MenschenwĂŒrde zur Hand, mal moralisch, mal theologisch, nie juristisch.

Werttyrannei?

Die hier beschriebenen Gefahren der Wert-MenschenwĂŒrde sind in einem kleinen Privatdruck des Jahres 1960 so idiosynkratisch wie ertragreich ausgearbeitet. Verfasst wurde die Schrift namens „Die Tyrannei der Werte“ von Carl Schmitt, dem Neu-Kantianer des Kaiserreiches, legitimitĂ€tsbesessenen RechtsautoritĂ€ren der Weimarer Republik und legalitĂ€tsverachtenden Kronjuristen des Nationalsozialismus, der in den Nachkriegsjahren urplötzlich seine innige Liebe zur gesetzlichen Form entdeckte. Mit Max Weber weist Schmitt auf die besondere Kompromisslosigkeit des „Wertdenkens“ hin. FĂŒr ihn lauert der BĂŒrgerkrieg gleich hinter der nĂ€chsten Ecke. Ungeachtet des paranoiden Tons und der teilweise unertrĂ€glich durchsichtigen Larmoyanz des Textes hĂ€lt er doch eine immer noch wertvolle Einsicht bereit: Werte kennen kein Verfahren, keine rationale Vermittlung, und keine rechtsstaatliche Trennung von Staat und Gesellschaft. Sie sind dem liberalen Staat eigentlich fremd.

Trotzdem kann mit ihnen, wie der mittlerweile recht ausgefeilte Wertformalismus des Bundesverfassungsgerichts pragmatisch beglaubigt, dogmatisch und vor allem rechtspraktisch ĂŒberraschend rechtssicher hantiert werden. Was immer dem Gericht die Werte zu Anfang bedeuteten, sie sind heute grundsĂ€tzlich in eine liberal gezĂ€hmte Begriffssprache assimiliert worden. Wissenschaftlich indes sind dabei nicht bloß weiterhin die bekannten autoritĂ€ren Potentiale von scheinbar objektiven Werteordnungen kritisch zu reflektieren. Es ist ebenso darĂŒber nachzudenken, welche diskursiven SprengsĂ€tze das lĂ€ngst nicht mehr auf die Rechtswissenschaft beschrĂ€nkte Wertdenken in die Öffentlichkeit eingebracht hat. Einer hat jedenfalls letzten Freitag gezĂŒndet, und der Schaden an Person wie Institution ist groß.

Redaktionelle Notiz: Der Text enthielt in einer frĂŒheren Fassung den Hinweis, dass der Zweite Senat des BVerfG nicht mit verfassungsrechtlichen Fragen des Schwangerschaftsabbruchs befasst werden wĂŒrde. Der Hinweis ist nachtrĂ€glich entfernt worden.

 

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Parlamentskultur und Bundesverfassungsrichterwahl

Einen Kommentar zur derzeit schwebenden Wahl eines Richters und zweier Richterinnen an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abzugeben, fĂ€llt mir nicht leicht, weil man sich den Betroffenen fachlich wie menschlich verbunden fĂŒhlt. Der beschĂ€mende Umgang mit dem Wahlvorgang und zwei fachlich offenkundig hervorragend geeigneten Kolleginnen hat viele empört – auch mich. Empörung ist aber nie ein guter Ratgeber. Die Causa bietet jedoch einen Anlass, sich die rechtliche Funktion des Wahlverfahrens, dessen ungeschriebene Voraussetzungen und damit die Gelingensbedingungen von ĂŒberzeugenden Richterwahlen nĂ€her anzusehen.

Formale Legitimationssicherung

Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) regelt im Wesentlichen nur das Wahlverfahren fĂŒr die Richterinnen und Richter des BVerfG. Die vom Bundestag zu berufenden Richterinnen und Richter werden nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auf Vorschlag des Wahlausschusses (§ 6 Abs. 2 BVerfGG) ohne Aussprache mit verdeckten Stimmzetteln gewĂ€hlt. Die vom Bundesrat zu berufenden Richterinnen und Richter werden nach § 7 BVerfGG mit zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates gewĂ€hlt. Thematisiert werden also nur die Mechanismen der Legitimationssicherung, wĂ€hrend die vorgelagerte Personalauswahl vom Gesetz nicht adressiert wird und weitgehend opak bleibt. Klar ist aber, dass die entscheidende Personalfindung im Vorfeld stattfinden muss und zugleich zwischen Bundestag und Bundesrat zu koordinieren ist, um eine ausgewogene Gesamtbesetzung des Gerichts zu gewĂ€hrleisten.

Überzeugende Richterpersönlichkeiten

Welche persönlichen Anforderungen an Richterinnen und Richter zu stellen sind, bleibt weitgehend ungeregelt. Das Gebot der Auswahl nach Eignung, BefĂ€higung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) gilt richtigerweise nicht. Das Wahlverfahren nach Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG ist lex specialis und bindet die wĂ€hlenden Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat nicht an materielle Auswahlkriterien. § 3 Abs. 1-2 BVerfGG enthĂ€lt lediglich formale Bedingungen der WĂ€hlbarkeit (Mindestalter, BefĂ€higung zum Richteramt). Eine vernĂŒnftige Personalauswahl, die den Funktionen und Aufgaben des BVerfG gerecht wird, wird daher den politischen KrĂ€ften anvertraut, die einen Wahlvorschlag vorbereiten. Das hat auch in den bald 75 Jahren Geschichte des BVerfG im Großen und Ganzen recht gut funktioniert.

Besetzt werden soll kein politisches Organ, sondern ein Gericht, das auch das BVerfG – bei allen Besonderheiten seiner Entscheidungskompetenzen – bleibt (§ 1 BVerfGG). Der Umgang mit dem Verfassungsrecht erfordert daher zunĂ€chst einmal belegte hohe juristische ProfessionalitĂ€t. Verfassungsinterpretation ist anspruchsvoll. Obgleich die unhintergehbare Kontingenz bei der Ausdeutung offener Verfassungsbestimmungen nicht werturteilsfrei möglich ist, geht es weniger um – in der Politik gerne beschworene, aber oft nur intellektuelle Hilflosigkeit markierende – „Werte“, sondern vorrangig um solides Handwerk. Einzelne Richterinnen und Richter mĂŒssen in der Lage sein, einen heterogenen achtköpfigen Senat fachlich zu ĂŒberzeugen. Das gelingt nur mit juristischen Argumenten, nicht mit einer politischen Agenda.

Wichtiger als inhaltliche Positionierungen in einzelnen Sachfragen ist daher die zu erwartende BegrĂŒndungsqualitĂ€t, also die methodische Stringenz und Überzeugungskraft, sowie die FĂ€higkeit, juristische Argumente nachvollziehbar (und damit: kritisierbar) zu vermitteln. Nicht weniger wichtig ist die Bereitschaft, andere Positionen ernst zu nehmen und sich mit ihnen seriös auseinanderzusetzen. Ob das geschieht oder nicht, lĂ€sst sich gerade bei Professorinnen und Professoren vergleichsweise einfach verifizieren, haben diese doch typischerweise umfangreich veröffentlicht. DiskursfĂ€higkeit hĂ€ngt weniger von mitunter streitbaren Ausgangspositionen als von der Bereitschaft ab, diese zu reflektieren und entscheidungsorientiert zu ĂŒberdenken.

Karrieren in der Staatsrechtslehre am Bundesverfassungsgericht

Wenn man ausgezeichnete Staatsrechtslehrerinnen und Staatsrechtslehrer am Gericht haben möchte, muss man auch damit leben, dass diese mitunter eigenwillige Positionen vertreten (haben). Wissenschaftliche Karrieren werden nicht durch NacherzĂ€hlen der BVerfG-Rechtsprechung gemacht und wir alle erwarten von einer Wissenschaft, die gerade im Verfassungsrecht kritische Gegenöffentlichkeit zu den Praktiken der staatlichen Organe sein soll, genauer hinzusehen, festgefahrene Dogmen zu hinterfragen und – vielleicht auch einmal provokativ – bessere BegrĂŒndungen einzufordern.

Konsensbasierte Verfassungsrechtsprechung eines Kollegialgerichts funktioniert zudem anders als die Entfaltung individueller Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG). Die unterschiedlichen Rollenfunktionen von individueller Wissenschaftlerin einerseits und Richterin in einem Kollegialgericht muss man unterscheiden können. Die wissenschaftlich geschulte FĂ€higkeit, genau hinzusehen und Konflikte prĂ€zise zu adressieren, dĂŒrfte hingegen unabhĂ€ngig vom eigenen Ausgangspunkt immer helfen, Entscheidungen noch besser zu machen. Wer hingegen plump politische PassfĂ€higkeit honoriert, schadet nicht nur dem Gericht, sondern verschenkt auch reale Einflusschancen auf die Rechtsprechung. Das BVerfG ist kein verlĂ€ngerter Biertisch der Nation – oder sollte es jedenfalls nicht werden.

Die Staatsrechtslehre sollte sich wiederum selbstkritisch fragen, ob der Hang einiger Mitglieder, verfassungsrechtliche Positionen in simple politische Botschaften im X-Format umzugießen, nicht genau der NĂ€hrboden ist, auf dem Diskurse politisiert eskalieren. Wer 100 Seiten Bundesverfassungsgerichtsbeschluss auf ein paar polemische Kurzbotschaften reduziert, suggeriert ein Niveau von Verfassungsrecht, auf dem dann wirklich jeder nach politischem Gusto mitreden kann.

Anforderungen an die Auswahlentscheidung

Aus den Erwartungen an eine gelungene Personalauswahl ergeben sich Anforderungen an die informale Organisation der Wahlvorbereitung durch die Politik. Die Beurteilung, ob jemand entsprechende QualitĂ€ten mitbringt oder nicht, setzt unvermeidbar akribische Vorbereitungen (durch geeignete StĂ€be) voraus, die wissenschaftliche Positionen in ihrer BegrĂŒndungsqualitĂ€t, Sorgfalt und Differenziertheit analysieren. Man muss sich sehr genau ansehen, ob vertretene Positionen nachvollziehbar wissenschaftlich begrĂŒndet sind oder camouflierte politische Statements mit ein paar angeklebten Anstandsfußnoten bleiben. Vertretene Interpretationen sind in den Meinungsstand einzuordnen, der immer breiter sein wird als der verfassungsdogmatische Mainstream.

Gerade weil Verfassungsinterpretation mehr als professionelles Verfassungshandwerk ist, kommt es darauf an, innerhalb eines Korridors des Ernstzunehmenden auf die pluralistische Ausrichtung des Gerichts insgesamt zu achten. Argumentative QualitĂ€t und Pluralismus der Positionen sind keine Garantie fĂŒr ausgewogene Rechtsprechung, aber doch immer noch das beste Sicherheitsnetz gegen Einseitigkeiten, politische Vereinnahmung oder mangelnde epistemische HĂ€rte in der Rechtsprechung des Gerichts. Daran sollten eigentlich alle Mitglieder des Deutschen Bundestags ein gemeinsames Interesse haben. Bei Professorinnen und Professoren ist daher eine grĂŒndlichere Aufbereitung des wissenschaftlichen Werkes kaum verzichtbar, bei den Berufsrichterinnen und -richtern kommt es vermutlich auf Beurteilungen innerhalb der obersten Bundesgerichte an, wenn man es mit der RechtsprechungsqualitĂ€tssicherung ernst nimmt. Wer hingegen in den wissenschaftlichen Positionen einer zur Wahl vorgeschlagenen Professorin vornehmlich seine eigenen politischen „Werte“ sucht, hat weder die Funktion pluralistischer Personalauswahl noch die Arbeitsmechaniken von Verfassungsrechtsprechung richtig verstanden. Das sollte peinlich sein.

Ein SĂŒndenfall zur Anschauung

Der irrlichternde Umgang mit Frauke Brosius-Gersdorf bietet gleich kumuliertes Anschauungsmaterial, wie Richterwahlen nicht ablaufen sollten. UrsprĂŒnglich entzĂŒndete sich Streit an Positionen zum Lebensschutz Ungeborener. Das verwundert. Es ist seit Jahrzehnten in der Grundrechtsdogmatik umstritten, ob Lebensschutz untrennbar mit der Zuschreibung von MenschenwĂŒrde verbunden ist (so die Linie des BVerfG, die auch ich fĂŒr richtig halte) oder ob beides entkoppelt werden sollte, was nicht nur Brosius-Gersdorf, sondern viele in der Staatsrechtslehre mit nachvollziehbaren Argumenten vertreten. Hier geht es um einen dogmatischen Meinungsstreit, dessen Folgen vermutlich ĂŒberschaubar bleiben. Selbst wenn man Embryonen und Föten MenschenwĂŒrde zuschreibt, ist damit die Frage der Rechtsfolgen noch nicht beantwortet, die hieraus qua staatlicher Schutzpflicht gezogen werden. Das ist schwierig und wird – wie jeder mehrpolige Grundrechtskonflikt – immer differenzierte Konzepte staatlicher Intervention erfordern. In der AbwĂ€gung liegt die StĂ€rke unseres Grundrechtsmodells. In welchem Umfang Kriminalisierung zum wirksamen Schutz Ungeborener notwendig ist, kann man unterschiedlich bewerten. Unterscheidet sich das aus krummem Holz geschnitzte Konzept folgenloser Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, das das BVerfG erfunden hat, wirklich substantiell von dem, was gegenwĂ€rtig als „Liberalisierung“ diskutiert wird? Die in der dogmatischen Stringenz verkorkste Rechtsprechung des BVerfG zum Abtreibungsstrafrecht (BVerfGE 39, 1; 88, 203) war – wenig verwunderlich – von Anfang an von Kritik begleitet, und zwar von beiden Seiten. WĂ€hrend einige den Lebensschutz nicht konsequent genug verwirklicht sehen, beklagen andere eine Überdehnung der Schutzpflichten zu Lasten des Persönlichkeitsrechts der Schwangeren. FĂŒr beide Perspektiven gibt es gute Argumente. Sollte man darĂŒber nicht verfassungsdogmatisch streiten können?

Demut vor den eigenen Kompetenzgrenzen

Mitglieder des Deutschen Bundestags bilden ein breites Spektrum an Sozialisationen, Lebenserfahrungen und beruflichen HintergrĂŒnden ab – ob breit genug, steht auf einem anderen Blatt. Niemand muss jedenfalls Expertin oder Experte der Verfassungsauslegung sein und sich mit den mitunter verĂ€stelten Fragen der Verfassungsdogmatik trittsicher auskennen. Das ist fĂŒr kluge Wahlentscheidungen auch nicht nötig, so wenig wie der Deutsche Bundestag ĂŒber Steuergesetze abstimmt, deren Regelungsgehalt 630 Abgeordnete verstanden haben.

Es stĂŒnde dann aber allen besser zu Gesicht, ZurĂŒckhaltung zu ĂŒben, wenn es um die Bewertung verfassungsdogmatischer Positionen geht, die wissenschaftlich zu begrĂŒnden und einzuordnen sind, aber keine politischen Bekenntnisse abbilden sollen. Wertepathos ist ein schlechter Kompass, um durch komplexe Verfassungsdogmatik zu navigieren. Hier gilt wie ganz allgemein die Maxime parlamentarischer Arbeitsteilung im gegenseitigen Vertrauen nach dem Berichterstatterprinzip. Die Freiheit des Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) ist auch die Freiheit, sich Sacharbeit nach unterschiedlichen Erfahrungen, FĂ€higkeiten und Arbeitsthemen zu teilen. Aus diesem Grund ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch der vorgreifliche Vorschlag des professionalisierten Wahlausschusses konstitutiv fĂŒr die Plenumswahl. Vertrauen in den dort aggregierten Sachverstand muss man freilich organisieren. Das setzt FĂŒhrungskompetenz in den Fraktionsspitzen voraus. Wenn hingegen die Wahl der Richterinnen und Richter zu einer rebellischen Bauchentscheidung mit diffusem Wertegrummeln auf der Informationsgrundlage aus dem Kontext gerissener Zitate verkommen sollte, wĂŒrde der Deutsche Bundestag als fachspezifisches Wahlorgan versagen.

Die Rolle des Wahlverfahrens

In den bisherigen Debatten ist ein weiterer Aspekt unterbelichtet geblieben. Alle drei Vorgeschlagenen wĂ€ren nach der bis 2015 geltenden Rechtslage gemĂ€ĂŸ § 6 BVerfGG a. F. bereits gewĂ€hlt, und zwar durch den Wahlausschuss. Man hatte sich jedoch seinerzeit entschieden, den zwölf Abgeordnete umfassenden Wahlausschuss (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) auf eine (konstitutive) Vorschlagsfunktion zu reduzieren und die Wahl dem Plenum des Deutschen Bundestags zu ĂŒbertragen. Das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vom 24. Juni 2015 (BGBl. I S. 973) schuf die gegenwĂ€rtige Regelung des § 6 BVerfGG. Vielleicht ist es gerade jetzt eine gute Zeit, daran zu erinnern: Die Reform der Richterwahl erfolgte durch einen gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Die Linke und BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen (BT-Drs. 18/2737), folgte also gemeinsamer demokratischer Verantwortung, keinem Eiertanz um UnvereinbarkeitsbeschlĂŒsse. Die GesetzesĂ€nderung geschah freilich ohne verfassungsrechtliche Not, denn das BVerfG hatte die lange umstrittene mittelbare Wahl der Richterinnen und Richter nach der frĂŒheren Rechtslage fĂŒr verfassungskonform erachtet (BVerfGE 131, 230, 234 ff.; 142, 1, 3 f.). Tragend waren vielmehr demokratiepolitische ErwĂ€gungen.

Ein Blick in die Plenardebatte (Plenarprotokoll 18/106, S. 10193-10197) ist noch immer aufschlussreich: Man wollte – so Matthias Barke (SPD) – „die hohe LegitimitĂ€t des Bundesverfassungsgerichts“ erhalten und dazu „ein Wahlverfahren fĂŒr das höchste deutsche Gericht korrigieren, das seit Jahrzehnten verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch hochstrittig war“. Nur eine Wahl im Plenum werde – so Richard Pitterle (Die Linke) – „der Bedeutung dieses Gerichts, das Entscheidungen mit Gesetzeskraft trifft und das auch Entscheidungen des Bundestages revidieren kann, erst wirklich gerecht“. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) betonte das Anliegen, grĂ¶ĂŸere Transparenz zu schaffen und wies darauf hin, dass es nicht nur um rechtliche Qualifikation, sondern z. B. auch um Lebenserfahrung, Geschlecht oder regionale ReprĂ€sentation gehe. Die Plenarwahl werde „die Legitimation des Bundesverfassungsgerichts [
] stĂ€rken“. Renate KĂŒnast (BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen) wollte gar „eine Schieflage“ beseitigen, „um dem Verfassungsgericht mehr WĂŒrde zu geben“. Sie beklagte, dass die Wahl im Wahlausschuss „doch kurios“ sei, wĂŒrde dort „mehr Geheimhaltung [
] als an manch anderen Orten“ geĂŒbt.

Das sind alles redliche und nachvollziehbare demokratiepolitische ErwĂ€gungen. Aber von Anfang an gab es auch – wie sich nunmehr zeigt: nicht völlig unberechtigte – Sorgen, dass eine Verlagerung aus dem geschĂŒtzten Raum des Wahlausschusses in das Plenum zu einer Politisierung der Richterwahl fĂŒhren könnte, die die vorgeschlagenen Personen und damit mittelbar auch das Gericht beschĂ€digt. Erst recht stieß der heute wohlwollend als naiv zu bezeichnende Wunsch von Renate KĂŒnast, sogar öffentliche Anhörungen im Rechtsausschuss durchzufĂŒhren, auf (weitsichtige) Skepsis bei Katarina Barley (SPD), die nĂŒchtern erwĂ€hnte, dass sich das bisherige Verfahren im Wahlausschuss doch eigentlich bewĂ€hrt habe und „ein Verfahren, das dem amerikanischen Ă€hnelt, unserer Art, Verfassungsrechtsprechung zu betreiben, nicht gerecht wird“. Legitimationspolitik kann nicht unpolitisch bleiben und die Übertragung der Wahl auf das Plenum erfĂŒllt einen Sinn nur dann, wenn damit die PolitizitĂ€t erhöht wird, was aber gewisse Politisierungsrisiken in Kauf nimmt.

Wir brauchen neue Parlamentspraktiken

Wie mit einem Wahlverfahren praktisch umgegangen wird, lĂ€sst sich gesetzlich nur begrenzt steuern. Gefordert ist die Parlamentskultur, um die es seit einiger Zeit nicht nur gut bestellt ist. Ein anderes Verfahren der Richterwahl braucht andere Praktiken der Willensbildung. Nicht zuletzt mĂŒssen diese gewĂ€hrleisten, dass in der Bewertung komplexe Personalentscheidungen, die auf fachlicher Grundlage getroffen werden, nicht durch eine billige Popularisierung auf dem Niveau von Social Media-Halbwissen wieder auf dem Weg zum Plenarbeschluss entwertet werden.

Die hĂ€sslichen UmstĂ€nde im Kontext der nicht gescheiterten, sondern verschobenen Wahl haben dem Deutschen Bundestag erst einmal Zeit verschafft. Die Zeit sollte genutzt werden, die offenbar versĂ€umte AufklĂ€rungsarbeit nachzuholen und offenkundige MissverstĂ€ndnisse ĂŒber Positionen abzurĂ€umen. Vielleicht sind Vorstellungsrunden in den Fraktionen sogar ein geeigneter Weg, ein differenziertes Bild zu zeichnen, unberechtigte Sorgen zu entkrĂ€ften und berechtige Nachfragen zufriedenstellend zu beantworten. Der Deutsche Bundestag mĂŒsste auch mit Blick in die Zukunft neue Formen erproben, wie mit der 2015 institutionalisierten Plenumsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG sensibel und funktionsadĂ€quat in einem stĂ€rker polarisierten Parlament umzugehen ist. Gelingt das nicht, beschĂ€digt sich der Deutsche Bundestag vor allem selbst.

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Eine Nicht-Wahl: Wo ist das Problem?

Lothar W. Pawliczak Es hyperventiliert von allen Seiten. Der Kanzler hat „Ja“ gesagt. Plagiat oder Nicht-Plagiat? Geplanter Staatsstreich. Moralischer Fanatismus. SchmĂ€hkampagne. Eskalationsspirale. Versagen des Fraktionsvorsitzenden. Armutszeugnis. Dilettantismus. Schlamassel. Debakel. Koalition in der Krise. Fatale Folgen. Entsetzt. Blamiert. Skandal. Bundesverfassungsgericht beschĂ€digt. Staatskrise. Schwarzer Tag. Widerliche LebensschĂŒtzer. Rechter Kulturkampf. Politische Zumutung. „Das kann man sich als Frau 
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Ein Etappensieg auf dem Weg zur RĂŒckeroberung der Demokratie

Bekanntlich haben wir im besten Deutschland aller Zeiten (Walter Steinmeier) „unsere Demokratie“, die von allen linken Parteien, einschließlich der Union, „wehrhaft verteidigt“ werden muss. Bei dieser „Verteidigung“ geraten immer mehr demokratische Regeln unter die RĂ€der. Zum Beispiel gehört der im Grundgesetz verankerte freie Abgeordnete, der keinen Weisungen unterworfen und nur seinem Gewissen verpflichtet ist, schon 
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Independence as a Desideratum

A recent report claiming that EU tech regulation has entered the ongoing trade negotiations with the U.S. has sparked fears that enforcement of the Digital Services Act (DSA) might be halted altogether. Although the DSA only came into full effect in February 2024, the European Commission’s subsequent enforcement has already showcased conflicts regarding its role as an autonomous political and administrative enforcement body. Considering the potential impact of the DSA on online communication, the Commission’s current role in DSA enforcement raises serious concerns. This calls for a search for alternative models of DSA enforcement. Three options present themselves.

A discrepancy in the DSA enforcement system

Art. 1(1) DSA explicitly states that ensuring a “safe, predictable, and trustworthy online environment” requires the regulation of online platforms. This, in turn, demands proper law enforcement that is both effective and appropriate. Considering the potential impact of the DSA on online communication and the subsequent effects on fundamental rights, it is particularly important to shield all DSA enforcement processes from pressure from political or interest groups to ensure independent decision-making. Accordingly, Art. 50(2) DSA mandates the “complete independence” of the national authorities responsible for enforcing the DSA (Digital Services Coordinators).

The DSA, however, does not impose similar requirements on the European Commission, which is mainly responsible for overseeing very large online platforms (VLOPs) under Art. 56(2, 3) DSA. This distinction is notable, not only because direct enforcement of EU law by the Commission has generally been an exception, (see here, p. 404), or because the internally responsible Directorate-General for the DSA – DG Connect – lacked the necessary enforcement expertise at the time of the framework’s passing. What’s striking is that the Commission – despite being a politically embedded (Art. 17(7) TEU) and controlled (Art. 17(8) TEU, 234 TFEU) authority, and the Union’s agenda-setting “gatekeeper” by virtue of its initiative monopoly (Art. 17(2) TEU; see here, p. 227ff.) –, is responsible for enforcing the DSA. Though based on the internal market competence of Art. 114 TFEU, the DSA significantly touches upon the digital spaces where much of today’s online communication takes place (see here, p. 609f.).

As a political actor, the Commission is naturally judged by its political successes; but it also has to navigate competing policy objectives. Both dynamics are likely to have negative implications for DSA enforcement. Since the Commission operates based on the principle of collegiality, even administrative decisions made at the bureaucratic level must be presented to the College of Commissioners if they are of importance or political sensitivity – such as adopting non-compliance decisions pursuant to Art. 73 DSA regarding non-EU VLOPs. The early enforcement phase of the DSA by the Commission stresses these concerns, as signs of over- as well as under-regulation have already become evident. This is not least harmful to the legitimacy of the EU, which is based on the rule of law (Art. 2 TEU).

Reflecting on the Commission’s initial DSA enforcement

The initial phase of enforcement showed signs of over-regulation. This was best exemplified by Thierry Breton, the former Commissioner for Internal Market (2019-2024). He was responsible for overseeing the early enforcement of the DSA by the Commission. In this role, he gained particular attention through his open letters concerning online platforms such as X. The content of these letters often left unclear whether he was speaking as a politician or a regulator. Since an international online platform company like X typically provides a globally standardized single product that facilitates communication across continents and legal systems (see here, p. 607), the DSA could be used as an instrument to regulate processes on platforms that primarily or entirely concern non-EU countries. When an interview between Trump and Musk was announced as part of an U.S. election campaign, available worldwide through a livestream on  X, Breton attempted to intervene by posting a public letter addressed to Musk. Emphasising X’s legal obligations to comply with the DSA, he warned Musk about the consequences of disseminating “harmful content” with “potential spillovers in the EU”. This was met with criticism of “electoral interference”, and even prompted a response from multiple civil society organisations calling on Breton to “stop politicising the Digital Services Act”.

Conversely, ever since the beginning of Trump’s second presidency and the subsequent shift of the political landscape in the U.S. – where most VLOPs are based – there have been concerns over potential under-regulation regarding the DSA’s enforcement. The DSA had already became a political target during the U.S. election campaign, to such an extent that the future Vice-President of Trump suggested withdrawing U.S. NATO support over the regulation of X by the EU. Consequently, in the aftermath of the U.S. elections, members of the European Parliament expressed concern that the Commission “may back off from tough enforcement of rules that regulate social media [
] for fear of retaliation” from Trump. Since its inauguration, the new U.S. administration has only escalated the political pressure exerted on the EU over the DSA: Denouncing the regulation as “censorship”, threatening to launch tariff attacks as the DSA “will face scrutiny from the Administration”, or even announcing the restriction of visas for foreign nationals “who censor Americans”. This very likely means EU officials enforcing the DSA.

The concerns expressed by members of the European parliament now seem to have materialized. The Commission’s ongoing investigation into Musk’s X, who played a significant role in the new U.S. administration, suggests that DSA enforcement has indeed been swayed by political pressure. The formal proceedings appear to be influenced by unrelated considerations. The Commission is reportedly contemplating “the risks of further antagonizing Mr. Trump amid wider trans-Atlantic disputes over trade, tariffs and the war in Ukraine” when determining the extent of fines imposed for DSA violations. Other parts of tech-regulation have also already seen signs of a “de-regulatory turn” by the European Commission, and so future scenarios in which the Commission might “sacrifice the Digital Services Act” for political expediency appear increasingly plausible. The Digital Markets Act (DMA), considered the “sister” of the DSA and solely enforced by the Commission, is reportedly already part of ongoing U.S.-EU trade negotiations. Although the Commission denies these claims, this development sparks concerns over the effectiveness of this regulation.

The changing role of the Commission

Given the discussions about both over- and under-regulation, it is important to note that even the Commission itself did not originally intend to assume the significant role of primarily regulating VLOPs, which it now fulfils under Art. 56(2,3) DSA. Instead, under Art. 40(1) of the initial proposal for the DSA by the Commission in 2020, it was the national Digital Services Coordinators that were, among other responsibilities, primarily in charge of supervising and enforcing the DSA obligations for VLOPs to manage systemic risks (Chapter III, Section 4). Subsequently, the Commission took on a backseat role pursuant to Art. 50 and 51 of the proposal, only potentially getting involved when a VLOP was suspected or found to have violated the aforementioned DSA regulations.

The current version of the DSA thus reflects amendments made later in the legislative process. Member states assigned the Commission to “have exclusive powers for the supervision and enforcement of the obligations applicable to [VLOPs]” in Art. 44a(1a) of the 2021 DSA proposal by the Council of the European Union. They were possibly motivated by efforts to ensure an adequate counterpart to the economic power VLOPs possess or to prevent a “regulatory capture” of national authorities as experienced in enforcement of the GDPR (see here, Art. 56, ref. 15). As noted, however, the tension between the political and regulatory objectives within the Commission causes a new kind of enforcement concern. In light of the DSA’s far-reaching implications for online communication, what is needed going forward is an enforcement body that is sufficiently independent from political pressure – accountable for its actions but not dependent on political successes. The protection of the relevant fundamental rights (e.g., Art. 11 CFR in relation to Art. 10 ECHR) that the DSA aims for pursuant to Art. 1(1) should not become subject to the whims of international politics as a result of biased enforcement.

Alternatives to guarantee independent DSA enforcement

Retaining the general enforcement structure of the DSA while assigning the role of the Commission to an enforcement body free from political pressure gives rise to three possible options: keeping the current DSA enforcement team within the Commission in charge while adding safeguards to ensure sufficient independence, establishing a new Regulatory European Agency, or creating a new independent body at the EU level.

The first option of additional safeguards has the benefit of building on the experience already gained from enforcing the DSA and may not require any changes to the text of the DSA itself. However, it raises the question of how to ensure sufficient independence of an enforcement team within the Commission. Potential sources of inspiration could be drawn from Eurostat, the statistical office of the EU, or OLAF, the European Anti-Fraud Office, as both entities are established within the Commission yet considered independent in certain respects. In order to ensure the professional independence of Eurostat, for example, correspondent safeguards are implemented with Art. 2(1)(a), 6(2) of Regulation (EC) No. 223/2009 and the first core principle of the European Statistics Code of Practice. Furthermore, Art. 6a(3) of Regulation (EC) No. 223/2009 also protects the Eurostat Director-General, although they are selected and appointed by the Commission, from seeking or taking instructions from other institutions or bodies when performing certain statistical tasks. At the same time, Eurostat remains accountable through mechanisms such as parliamentary oversight pursuant to Art. 6a(4) of Regulation (EC) No. 223/2009, which contributes to the legitimacy of the Commission; it is part of the broader European statistical framework System, which also encompasses peer reviews of Eurostat, and judicial review through the European Court of Justice. As long as DSA enforcement remains within the Commission itself, however, there remains a risk that political pressure could be exerted through other internal means (e.g., hiring or firing personnel, budget decisions). While Eurostat and OLAF may serve as possible blueprints for implementation, their unique positions within the Commission are strengthened by their respective connections to EU primary law (Art. 338(2), 325 TFEU) – a legal anchor that a DSA enforcement body would lack.

A second option would be establishing a new Regulatory European Agency through EU secondary law, responsible for enforcing the DSA instead of the Commission. This option, which the European Parliament also considered (e.g. during a 2020 resolution), relies on a type of decentralized EU body that has been increasingly used over the past decades and incorporates varying levels of formal independence. The establishment of a Regulatory European Agency has also been recommended regarding the Commission’s problematic role in independent DMA enforcement, given its benefits like increased flexibility, more options for participation by Member States, and greater spatial autonomy (see here, p. 433, 309ff.). Moving DSA enforcement out of the Commission may likely result in an increase of systemic independence but it might impact ongoing procedures during the transitional period, with previously accrued expertise potentially to be lost as well. But establishing a European Regulatory Agency could prove to be extremely efficient in the long-run: in its objectives, structure, and staffing, it is wholly designed for the purpose of DSA enforcement. Nonetheless, the accountability and legitimacy of European Regulatory Agencies remain subjects of ongoing academic debate. Delegating this task also raises significant legal challenges. As the DSA grants the Commission a range of powers – from adopting non-compliance decisions to issuing certain implementing or delegated acts – the principles of the ECJs (modified) “Meroni doctrine” must be considered in particular, which serves as a limit for the permissible delegation of decision-making powers.

Finally, an entirely new independent body could be established on the EU level to enforce the DSA in the Commission’s stead, drawing inspirations from institutions such as the European Central Bank. Notably, the European Parliament also considered this option during a legislative initiative process on the DSA, with one committee draft report supporting “the creation of an independent EU body to exercise effective oversight of compliance with the applicable rules”. Compared to the previous options, establishing an entirely new independent body on the EU level notably offers most freedom of design in ensuring independence. This freedom comes at the price of a comparatively higher legislative effort, however. Also, the wide range of possible design choices offers no guarantee of increased independence. Rather, the option functions as an institutional “wildcard” – one that opens the door to many potential approaches to legitimacy, accountability and dimensions of independence that may or may not be in favour of the intended change in DSA enforcement. But because of its range of possibilities, it also should not be dismissed too early. Considering the ever-increasing role of communication on VLOPs, the unusual decision to enforce the regulation at the EU level may likewise call for an equally unorthodox choice of enforcement authority.

While the need for independent DSA enforcement calls for changes in the current role of the Commission, alternative options preserving the broader enforcement framework of the DSA do exist. Although immediate changes are not feasible, considering the previously outlined discussions toward over- and under-regulation, this contribution may serve as an initial step toward a necessary debate on independent DSA enforcement at the EU level.

The authors are researching the topic of this blog post as part of the DSA Research Network, which is funded by Stiftung Mercator.

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Die Sache mit der MenschenwĂŒrde

Im ersten Absatz des ersten Artikels des Grundgesetzes steht das bundesrepublikanische Glaubensbekenntnis: „Die WĂŒrde des Menschen ist unantastbar.“ Kein anderer Satz ist in Deutschland derart demonstrativ konsensfĂ€hig, kein anderer Satz bedient derart das deutsche BedĂŒrfnis nach moralischer, nicht zuletzt erinnerungspolitischer Selbstvergewisserung, und kein anderer Satz der Verfassung eignet sich gerade deshalb derart gut fĂŒr politisch zweckentfremdete Feindmarkierungen.

In einem der unrĂŒhmlichsten VorgĂ€nge der jĂŒngeren deutschen Politikgeschichte hat das die Potsdamer Professorin Frauke Brosius-Gersdorf erfahren mĂŒssen. Bekanntlich kollabierte noch am Tag ihrer geplanten Wahl die notwendige Zweidrittelmehrheit, weil innerhalb der Unionsfraktion etwa sechzig Abgeordnete signalisierten, nicht fĂŒr die Kandidatin stimmen zu wollen. Der sachliche Tagesordnungspunkt wurde flugs entfernt, stattdessen entspann sich im Plenum eine parlamentspolitische Debatte; begleitet, besser: getrieben von einer einigermaßen beispiellosen Kampagne rechtsorientierter Medienunternehmen. Abgesehen von dem ebenso rasend schnell produzierten wie ausgerĂ€umten Plagiatsvorwurf eines bereits wegen ĂŒbler Nachrede vorbestraften „PlagiatsjĂ€gers“ stellte das ZentralstĂŒck der VorwĂŒrfe eine angebliche Missachtung der MenschenwĂŒrde dar.

Die zwei „Lösungen“ des Bundesverfassungsgerichts

Sie grĂŒndeten sich wesentlich auf den Auffassungen der Juristin zu den konstitutionellen Grenzen des Schwangerschaftsabbruchs (vgl. die heutige Stellungnahme von Frauke Brosius-Gersdorf). In der vorangegangenen Legislaturperiode war sie stellvertretende Koordinatorin einer Kommission „zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“, die in ihrem Abschlussbericht empfahl, den Abbruch in der FrĂŒhphase der Schwangerschaft als vollumfĂ€nglich rechtmĂ€ĂŸig anzuerkennen – statt ihn wie gegenwĂ€rtig nach § 218a StGB nur unter bestimmten UmstĂ€nden vom Tatbestand auszunehmen oder zu rechtfertigen. In den sozialen Medien wurde zusĂ€tzlich der anderthalb SĂ€tze umfassende Ausschnitt aus einem Festschriftbeitrag fĂŒr ihren akademischen Lehrer Horst Dreier skandalisiert, in dem sie schrieb: „Die Annahme, dass die MenschenwĂŒrde ĂŒberall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss“ (F. Brosius-Gersdorf, S. 756). Das ist eine juristisch vertretbare und analytisch begrenzte Feststellung. DarĂŒber, wo die MenschenwĂŒrde positiv greift, ist schließlich noch nichts gesagt. Zugleich ist sie nur vor dem Hintergrund zweier grundlegender Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen zu verstehen.

Das Bundesverfassungsgericht kassierte im Jahr 1975 den kurz zuvor von der sozialliberalen Koalition reformierten § 218 StGB, der eine sogenannte Fristenlösung beinhaltete. Im ersten Trimester der Schwangerschaft sollte der Abbruch gĂ€nzlich straffrei bleiben. Mit diesem Urteil war nicht unbedingt zu rechnen. Im Grundgesetz ist bis auf eine Ausnahme (Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG) keine Norm zu finden, die die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens positiv gebietet. Das Gericht ließ sich davon nicht beeindrucken. Aus dem Grundrecht auf Leben konstruierte es vielmehr eine sogenannte Schutzpflicht, die dem Gesetzgeber die Entkriminalisierung geradewegs untersagte. Damit nicht genug, ihm war sogar eine bestimmte strafrechtliche Ausgestaltung anbefohlen. Er durfte allenfalls eng umgrenzte GrĂŒnde (beispielsweise schwere soziale Not oder Gewalteinwirkung) benennen, die die individuelle Strafe – nicht: die Rechtswidrigkeit – ausnahmsweise entfallen ließ. Im zweiten Urteil von 1993 blieb das Bundesverfassungsgericht bei der Schutzpflicht, rang sich aber dennoch dazu durch, eine pauschale Fristenlösung unter der Maßgabe zu akzeptieren, dass der weiterhin rechtswidrige Abbruch bis zur 12. Woche nur dann straffrei blieb, wenn zuvor eine Beratung (daher: „Beratungslösung“) erfolgt war.

Die zwei Seiten der MenschenwĂŒrde

Bei diesen beiden Urteilen nun spielte die MenschenwĂŒrde eine merkwĂŒrdige, fĂŒr sie allerdings charakteristische Doppelrolle. Sie ist einerseits Rechtssatz. Im besagten ersten Absatz des ersten Grundgesetzartikels steht sie wohl als ein Grundrecht unter anderen. Diese (abwehr-)rechtliche Seite verbietet konkrete Eingriffe absolut, etwa die Folter oder den Abschuss eines von Terroristen entfĂŒhrten Flugzeugs. Ist der sogenannte Schutzbereich der MenschenwĂŒrde einmal berĂŒhrt, kann das staatliche Handeln unter keinem Gesichtspunkt mehr gerechtfertigt sein. Auf diese Hinsicht kam es in beiden Urteilen indes niemals an. Das ist auch kaum ĂŒberraschend, denn durch die Tötung eines Menschen ist dessen MenschenwĂŒrde nicht per se verletzt. Das Grundgesetz erlaubt in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG ausdrĂŒcklich, in das Lebensrecht aufgrund eines Gesetzes einzugreifen. Weiterhin hĂ€tte das Gericht andernfalls auch keine wie auch immer gearteten Ausnahmen von der Strafe zulassen können. Das Grundrecht der MenschenwĂŒrde ist der AbwĂ€gung nicht zugĂ€nglich.

Was also ist uns die MenschenwĂŒrde noch? Sie ist ein Wert. Ohne die philosophisch recht tragische Geschichte des modernen Wertbegriffs aufrollen zu wollen, ist doch festzustellen, dass wir es mit einem höchst ambivalenten Gegenstand zu tun haben. In Sonderheit das Bundesverfassungsgericht bedient sich seit dem LĂŒth-Urteil von 1958 mit grĂ¶ĂŸter Hingabe dieser Kategorie, um bestimmte verfassungsrechtliche Herleitungen metaphorisch ausladend auszuschmĂŒcken. Die MenschenwĂŒrde ist dabei als gesetzter „Mittelpunkt des Wertsystems der Verfassung“ besonders vielseitig einsetzbar. Im Rahmen des Schwangerschaftsabbruchs spielt sie eine bemerkenswerte Rolle. Weniger fungiert sie hier als Rechtsgrund, denn vielmehr als basso continuo eines höchstrichterlich erkannten sittlichen Minimums. FĂŒr den „Schutz des ungeborenen Lebens“ hĂ€tte es ja keinen Unterschied gemacht, ob die Eizelle subjektiv ab Befruchtung an der MenschenwĂŒrde teilhat oder das Lebensrecht diesen Vorgang lediglich objektiv zu schĂŒtzen verpflichtet. In beiden FĂ€llen wĂ€re die Kriminalisierungspflicht das Ergebnis gewesen.

Das Bundesverfassungsgericht als SittenwÀchter

Was die Verleihung der MenschenwĂŒrde an diese jeweilige Eizelle dahingegen ermöglicht, ist die Konstitution eines eigenstĂ€ndigen Subjekts im Mutterleib. Somit ist dem Schwangerschaftsabbruch nicht nur verfassungsrechtlich die Strafbarkeit verordnet, ihr ist auch vom „Wertsystem“ des Grundgesetzes – oder den Richtern (sic!) des damaligen Ersten Senats – eine „sozialethische Mißbilligung“ erteilt. Diese ĂŒbervĂ€terliche Anmaßung des Gerichts notierten Richterin v. BrĂŒnneck und Richter Simon in einem Sondervotum, und erwiderten spitz: „In einem pluralistischen, weltanschaulich neutralen und freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen bleibt es den gesellschaftlichen KrĂ€ften ĂŒberlassen, Gesinnungspostulate zu statuieren.“ In der zweiten Entscheidung von 1993 wird der Sittlichkeitspathos zwar oberflĂ€chlich weitgehend zurĂŒckgefahren, die „intensive, die Frau existentiell [!] betreffende Pflicht zum Austragen und GebĂ€ren des Kindes“ lĂ€sst sich der Senat gleichwohl nicht nehmen. Der Frau als Schwangeren bleibt das „Wertsystem“ des Grundgesetzes ein stahlhartes GehĂ€use.

Insofern stehen Kommissionsbericht und Festschriftbeitrag tatsĂ€chlich im Widerspruch zur ĂŒberkommenden Verfassungsauslegung des Bundesverfassungsgerichts. Das ist, anders als in diesen Tagen nicht selten unterstellt, keineswegs unĂŒblich. In der Rechtswissenschaft werden regelmĂ€ĂŸig Ansichten vertreten, die von denen des Gerichts abweichen – obgleich dessen Rechtsprechung in letzter Zeit gerade das Lebensrecht von kryptotheologischer VerselbststĂ€ndigung („Lebenspflicht“) auf persönliche Autonomie umgesattelt hat (vgl. insb. die Auseinandersetzung mit christlichen Standpunkten im Urteil zum Verbot geschĂ€ftsmĂ€ĂŸiger Sterbehilfe, Rn. 208-211). Ob sich die verfassungsrechtlich verbrĂ€mten „Gesinnungspostulate“ des Jahres 1975 gegen eine echte demokratische Aushandlung im Mehrheitsverfahren weiter sperren können, ist eine mindestens diskussionswĂŒrdige Frage. Im Nachgang des Kommissionsberichtes sprachen Melina Reyher und Luisa Weyers daher von einem möglichen „neuen Kompromiss“. Dass im Übrigen eine staatliche Einrichtung (und eine solche ist das Bundesverfassungsgericht entgegen einem verbreiteten Volksglauben genauso wie die Bundesregierung) der Wissenschaft keine geistige Marschroute vorgeben kann, dĂŒrfte sogar vielleicht von der Wissenschaftsfreiheit intendiert sein.

In Anbetracht der dargelegten Rechtsprechung wird allerdings ebenfalls allzu einsichtig, warum sich die MenschenwĂŒrde fĂŒr jene konturlose, totalisierte, enthemmte Diskursdynamik besonders gut hergibt, die in den letzten Tagen so fĂŒrchterlich ĂŒber die deutsche Öffentlichkeit hereinbrach: Die Behandlung der MenschenwĂŒrde in spezifisch juristischen Kontexten, mitsamt deren methodischen und geltungstheoretischen Annahmen, lĂ€sst sich umstandslos in die polemische Gefechtszone universalistischer Moral hineintragen. Wer die MenschenwĂŒrde mit dem herkömmlichen juristischen Instrumentarium als Recht behandelt, lĂ€uft unmittelbar Gefahr, ihr als „Wert“ ausgeliefert zu sein. So kann man in der Zeitung „Die Welt“, in „Nius“ oder aus dem rechtskatholischen Milieu heraus Frauke Brosius-Gersdorf der vermeintlich fehlenden „Achtung“ der MenschenwĂŒrde bezichtigen, aus der gesellschaftlichen „Mitte“ – knapp 75% der Deutschen befĂŒrworten einen rechtmĂ€ĂŸigen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen – verbannen und sie mitunter auch kaum verhohlen als Menschenfeindin diffamieren, ohne dass der ursprĂŒngliche, wissenschaftliche Publikationszusammenhang dort jemandem Grund zum Zögern gibt. Eine rechtswissenschaftlich abgestĂŒtzte Kritik beansprucht niemand auch nur ansatzweise; man hat eben immerhin die MenschenwĂŒrde zur Hand, mal moralisch, mal theologisch, nie juristisch.

Werttyrannei?

Die hier beschriebenen Gefahren der Wert-MenschenwĂŒrde sind in einem kleinen Privatdruck des Jahres 1960 so idiosynkratisch wie ertragreich ausgearbeitet. Verfasst wurde die Schrift namens „Die Tyrannei der Werte“ von Carl Schmitt, dem Neu-Kantianer des Kaiserreiches, legitimitĂ€tsbesessenen RechtsautoritĂ€ren der Weimarer Republik und legalitĂ€tsverachtenden Kronjuristen des Nationalsozialismus, der in den Nachkriegsjahren urplötzlich seine innige Liebe zur gesetzlichen Form entdeckte. Mit Max Weber weist Schmitt auf die besondere Kompromisslosigkeit des „Wertdenkens“ hin. FĂŒr ihn lauert der BĂŒrgerkrieg gleich hinter der nĂ€chsten Ecke. Ungeachtet des paranoiden Tons und der teilweise unertrĂ€glich durchsichtigen Larmoyanz des Textes hĂ€lt er doch eine immer noch wertvolle Einsicht bereit: Werte kennen kein Verfahren, keine rationale Vermittlung, und keine rechtsstaatliche Trennung von Staat und Gesellschaft. Sie sind dem liberalen Staat eigentlich fremd.

Trotzdem kann mit ihnen, wie der mittlerweile recht ausgefeilte Wertformalismus des Bundesverfassungsgerichts pragmatisch beglaubigt, dogmatisch und vor allem rechtspraktisch ĂŒberraschend rechtssicher hantiert werden. Was immer dem Gericht die Werte zu Anfang bedeuteten, sie sind heute grundsĂ€tzlich in eine liberal gezĂ€hmte Begriffssprache assimiliert worden. Wissenschaftlich indes sind dabei nicht bloß weiterhin die bekannten autoritĂ€ren Potentiale von scheinbar objektiven Werteordnungen kritisch zu reflektieren. Es ist ebenso darĂŒber nachzudenken, welche diskursiven SprengsĂ€tze das lĂ€ngst nicht mehr auf die Rechtswissenschaft beschrĂ€nkte Wertdenken in die Öffentlichkeit eingebracht hat. Einer hat jedenfalls letzten Freitag gezĂŒndet, und der Schaden an Person wie Institution ist groß.

Redaktionelle Notiz: Der Text enthielt in einer frĂŒheren Fassung den Hinweis, dass der Zweite Senat des BVerfG nicht mit verfassungsrechtlichen Fragen des Schwangerschaftsabbruchs befasst werden wĂŒrde. Der Hinweis ist nachtrĂ€glich entfernt worden.

 

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Parlamentskultur und Bundesverfassungsrichterwahl

Einen Kommentar zur derzeit schwebenden Wahl eines Richters und zweier Richterinnen an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abzugeben, fĂ€llt mir nicht leicht, weil man sich den Betroffenen fachlich wie menschlich verbunden fĂŒhlt. Der beschĂ€mende Umgang mit dem Wahlvorgang und zwei fachlich offenkundig hervorragend geeigneten Kolleginnen hat viele empört – auch mich. Empörung ist aber nie ein guter Ratgeber. Die Causa bietet jedoch einen Anlass, sich die rechtliche Funktion des Wahlverfahrens, dessen ungeschriebene Voraussetzungen und damit die Gelingensbedingungen von ĂŒberzeugenden Richterwahlen nĂ€her anzusehen.

Formale Legitimationssicherung

Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) regelt im Wesentlichen nur das Wahlverfahren fĂŒr die Richterinnen und Richter des BVerfG. Die vom Bundestag zu berufenden Richterinnen und Richter werden nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auf Vorschlag des Wahlausschusses (§ 6 Abs. 2 BVerfGG) ohne Aussprache mit verdeckten Stimmzetteln gewĂ€hlt. Die vom Bundesrat zu berufenden Richterinnen und Richter werden nach § 7 BVerfGG mit zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates gewĂ€hlt. Thematisiert werden also nur die Mechanismen der Legitimationssicherung, wĂ€hrend die vorgelagerte Personalauswahl vom Gesetz nicht adressiert wird und weitgehend opak bleibt. Klar ist aber, dass die entscheidende Personalfindung im Vorfeld stattfinden muss und zugleich zwischen Bundestag und Bundesrat zu koordinieren ist, um eine ausgewogene Gesamtbesetzung des Gerichts zu gewĂ€hrleisten.

Überzeugende Richterpersönlichkeiten

Welche persönlichen Anforderungen an Richterinnen und Richter zu stellen sind, bleibt weitgehend ungeregelt. Das Gebot der Auswahl nach Eignung, BefĂ€higung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) gilt richtigerweise nicht. Das Wahlverfahren nach Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG ist lex specialis und bindet die wĂ€hlenden Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat nicht an materielle Auswahlkriterien. § 3 Abs. 1-2 BVerfGG enthĂ€lt lediglich formale Bedingungen der WĂ€hlbarkeit (Mindestalter, BefĂ€higung zum Richteramt). Eine vernĂŒnftige Personalauswahl, die den Funktionen und Aufgaben des BVerfG gerecht wird, wird daher den politischen KrĂ€ften anvertraut, die einen Wahlvorschlag vorbereiten. Das hat auch in den bald 75 Jahren Geschichte des BVerfG im Großen und Ganzen recht gut funktioniert.

Besetzt werden soll kein politisches Organ, sondern ein Gericht, das auch das BVerfG – bei allen Besonderheiten seiner Entscheidungskompetenzen – bleibt (§ 1 BVerfGG). Der Umgang mit dem Verfassungsrecht erfordert daher zunĂ€chst einmal belegte hohe juristische ProfessionalitĂ€t. Verfassungsinterpretation ist anspruchsvoll. Obgleich die unhintergehbare Kontingenz bei der Ausdeutung offener Verfassungsbestimmungen nicht werturteilsfrei möglich ist, geht es weniger um – in der Politik gerne beschworene, aber oft nur intellektuelle Hilflosigkeit markierende – „Werte“, sondern vorrangig um solides Handwerk. Einzelne Richterinnen und Richter mĂŒssen in der Lage sein, einen heterogenen achtköpfigen Senat fachlich zu ĂŒberzeugen. Das gelingt nur mit juristischen Argumenten, nicht mit einer politischen Agenda.

Wichtiger als inhaltliche Positionierungen in einzelnen Sachfragen ist daher die zu erwartende BegrĂŒndungsqualitĂ€t, also die methodische Stringenz und Überzeugungskraft, sowie die FĂ€higkeit, juristische Argumente nachvollziehbar (und damit: kritisierbar) zu vermitteln. Nicht weniger wichtig ist die Bereitschaft, andere Positionen ernst zu nehmen und sich mit ihnen seriös auseinanderzusetzen. Ob das geschieht oder nicht, lĂ€sst sich gerade bei Professorinnen und Professoren vergleichsweise einfach verifizieren, haben diese doch typischerweise umfangreich veröffentlicht. DiskursfĂ€higkeit hĂ€ngt weniger von mitunter streitbaren Ausgangspositionen als von der Bereitschaft ab, diese zu reflektieren und entscheidungsorientiert zu ĂŒberdenken.

Karrieren in der Staatsrechtslehre am Bundesverfassungsgericht

Wenn man ausgezeichnete Staatsrechtslehrerinnen und Staatsrechtslehrer am Gericht haben möchte, muss man auch damit leben, dass diese mitunter eigenwillige Positionen vertreten (haben). Wissenschaftliche Karrieren werden nicht durch NacherzĂ€hlen der BVerfG-Rechtsprechung gemacht und wir alle erwarten von einer Wissenschaft, die gerade im Verfassungsrecht kritische Gegenöffentlichkeit zu den Praktiken der staatlichen Organe sein soll, genauer hinzusehen, festgefahrene Dogmen zu hinterfragen und – vielleicht auch einmal provokativ – bessere BegrĂŒndungen einzufordern.

Konsensbasierte Verfassungsrechtsprechung eines Kollegialgerichts funktioniert zudem anders als die Entfaltung individueller Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG). Die unterschiedlichen Rollenfunktionen von individueller Wissenschaftlerin einerseits und Richterin in einem Kollegialgericht muss man unterscheiden können. Die wissenschaftlich geschulte FĂ€higkeit, genau hinzusehen und Konflikte prĂ€zise zu adressieren, dĂŒrfte hingegen unabhĂ€ngig vom eigenen Ausgangspunkt immer helfen, Entscheidungen noch besser zu machen. Wer hingegen plump politische PassfĂ€higkeit honoriert, schadet nicht nur dem Gericht, sondern verschenkt auch reale Einflusschancen auf die Rechtsprechung. Das BVerfG ist kein verlĂ€ngerter Biertisch der Nation – oder sollte es jedenfalls nicht werden.

Die Staatsrechtslehre sollte sich wiederum selbstkritisch fragen, ob der Hang einiger Mitglieder, verfassungsrechtliche Positionen in simple politische Botschaften im X-Format umzugießen, nicht genau der NĂ€hrboden ist, auf dem Diskurse politisiert eskalieren. Wer 100 Seiten Bundesverfassungsgerichtsbeschluss auf ein paar polemische Kurzbotschaften reduziert, suggeriert ein Niveau von Verfassungsrecht, auf dem dann wirklich jeder nach politischem Gusto mitreden kann.

Anforderungen an die Auswahlentscheidung

Aus den Erwartungen an eine gelungene Personalauswahl ergeben sich Anforderungen an die informale Organisation der Wahlvorbereitung durch die Politik. Die Beurteilung, ob jemand entsprechende QualitĂ€ten mitbringt oder nicht, setzt unvermeidbar akribische Vorbereitungen (durch geeignete StĂ€be) voraus, die wissenschaftliche Positionen in ihrer BegrĂŒndungsqualitĂ€t, Sorgfalt und Differenziertheit analysieren. Man muss sich sehr genau ansehen, ob vertretene Positionen nachvollziehbar wissenschaftlich begrĂŒndet sind oder camouflierte politische Statements mit ein paar angeklebten Anstandsfußnoten bleiben. Vertretene Interpretationen sind in den Meinungsstand einzuordnen, der immer breiter sein wird als der verfassungsdogmatische Mainstream.

Gerade weil Verfassungsinterpretation mehr als professionelles Verfassungshandwerk ist, kommt es darauf an, innerhalb eines Korridors des Ernstzunehmenden auf die pluralistische Ausrichtung des Gerichts insgesamt zu achten. Argumentative QualitĂ€t und Pluralismus der Positionen sind keine Garantie fĂŒr ausgewogene Rechtsprechung, aber doch immer noch das beste Sicherheitsnetz gegen Einseitigkeiten, politische Vereinnahmung oder mangelnde epistemische HĂ€rte in der Rechtsprechung des Gerichts. Daran sollten eigentlich alle Mitglieder des Deutschen Bundestags ein gemeinsames Interesse haben. Bei Professorinnen und Professoren ist daher eine grĂŒndlichere Aufbereitung des wissenschaftlichen Werkes kaum verzichtbar, bei den Berufsrichterinnen und -richtern kommt es vermutlich auf Beurteilungen innerhalb der obersten Bundesgerichte an, wenn man es mit der RechtsprechungsqualitĂ€tssicherung ernst nimmt. Wer hingegen in den wissenschaftlichen Positionen einer zur Wahl vorgeschlagenen Professorin vornehmlich seine eigenen politischen „Werte“ sucht, hat weder die Funktion pluralistischer Personalauswahl noch die Arbeitsmechaniken von Verfassungsrechtsprechung richtig verstanden. Das sollte peinlich sein.

Ein SĂŒndenfall zur Anschauung

Der irrlichternde Umgang mit Frauke Brosius-Gersdorf bietet gleich kumuliertes Anschauungsmaterial, wie Richterwahlen nicht ablaufen sollten. UrsprĂŒnglich entzĂŒndete sich Streit an Positionen zum Lebensschutz Ungeborener. Das verwundert. Es ist seit Jahrzehnten in der Grundrechtsdogmatik umstritten, ob Lebensschutz untrennbar mit der Zuschreibung von MenschenwĂŒrde verbunden ist (so die Linie des BVerfG, die auch ich fĂŒr richtig halte) oder ob beides entkoppelt werden sollte, was nicht nur Brosius-Gersdorf, sondern viele in der Staatsrechtslehre mit nachvollziehbaren Argumenten vertreten. Hier geht es um einen dogmatischen Meinungsstreit, dessen Folgen vermutlich ĂŒberschaubar bleiben. Selbst wenn man Embryonen und Föten MenschenwĂŒrde zuschreibt, ist damit die Frage der Rechtsfolgen noch nicht beantwortet, die hieraus qua staatlicher Schutzpflicht gezogen werden. Das ist schwierig und wird – wie jeder mehrpolige Grundrechtskonflikt – immer differenzierte Konzepte staatlicher Intervention erfordern. In der AbwĂ€gung liegt die StĂ€rke unseres Grundrechtsmodells. In welchem Umfang Kriminalisierung zum wirksamen Schutz Ungeborener notwendig ist, kann man unterschiedlich bewerten. Unterscheidet sich das aus krummem Holz geschnitzte Konzept folgenloser Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, das das BVerfG erfunden hat, wirklich substantiell von dem, was gegenwĂ€rtig als „Liberalisierung“ diskutiert wird? Die in der dogmatischen Stringenz verkorkste Rechtsprechung des BVerfG zum Abtreibungsstrafrecht (BVerfGE 39, 1; 88, 203) war – wenig verwunderlich – von Anfang an von Kritik begleitet, und zwar von beiden Seiten. WĂ€hrend einige den Lebensschutz nicht konsequent genug verwirklicht sehen, beklagen andere eine Überdehnung der Schutzpflichten zu Lasten des Persönlichkeitsrechts der Schwangeren. FĂŒr beide Perspektiven gibt es gute Argumente. Sollte man darĂŒber nicht verfassungsdogmatisch streiten können?

Demut vor den eigenen Kompetenzgrenzen

Mitglieder des Deutschen Bundestags bilden ein breites Spektrum an Sozialisationen, Lebenserfahrungen und beruflichen HintergrĂŒnden ab – ob breit genug, steht auf einem anderen Blatt. Niemand muss jedenfalls Expertin oder Experte der Verfassungsauslegung sein und sich mit den mitunter verĂ€stelten Fragen der Verfassungsdogmatik trittsicher auskennen. Das ist fĂŒr kluge Wahlentscheidungen auch nicht nötig, so wenig wie der Deutsche Bundestag ĂŒber Steuergesetze abstimmt, deren Regelungsgehalt 630 Abgeordnete verstanden haben.

Es stĂŒnde dann aber allen besser zu Gesicht, ZurĂŒckhaltung zu ĂŒben, wenn es um die Bewertung verfassungsdogmatischer Positionen geht, die wissenschaftlich zu begrĂŒnden und einzuordnen sind, aber keine politischen Bekenntnisse abbilden sollen. Wertepathos ist ein schlechter Kompass, um durch komplexe Verfassungsdogmatik zu navigieren. Hier gilt wie ganz allgemein die Maxime parlamentarischer Arbeitsteilung im gegenseitigen Vertrauen nach dem Berichterstatterprinzip. Die Freiheit des Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) ist auch die Freiheit, sich Sacharbeit nach unterschiedlichen Erfahrungen, FĂ€higkeiten und Arbeitsthemen zu teilen. Aus diesem Grund ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch der vorgreifliche Vorschlag des professionalisierten Wahlausschusses konstitutiv fĂŒr die Plenumswahl. Vertrauen in den dort aggregierten Sachverstand muss man freilich organisieren. Das setzt FĂŒhrungskompetenz in den Fraktionsspitzen voraus. Wenn hingegen die Wahl der Richterinnen und Richter zu einer rebellischen Bauchentscheidung mit diffusem Wertegrummeln auf der Informationsgrundlage aus dem Kontext gerissener Zitate verkommen sollte, wĂŒrde der Deutsche Bundestag als fachspezifisches Wahlorgan versagen.

Die Rolle des Wahlverfahrens

In den bisherigen Debatten ist ein weiterer Aspekt unterbelichtet geblieben. Alle drei Vorgeschlagenen wĂ€ren nach der bis 2015 geltenden Rechtslage gemĂ€ĂŸ § 6 BVerfGG a. F. bereits gewĂ€hlt, und zwar durch den Wahlausschuss. Man hatte sich jedoch seinerzeit entschieden, den zwölf Abgeordnete umfassenden Wahlausschuss (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) auf eine (konstitutive) Vorschlagsfunktion zu reduzieren und die Wahl dem Plenum des Deutschen Bundestags zu ĂŒbertragen. Das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vom 24. Juni 2015 (BGBl. I S. 973) schuf die gegenwĂ€rtige Regelung des § 6 BVerfGG. Vielleicht ist es gerade jetzt eine gute Zeit, daran zu erinnern: Die Reform der Richterwahl erfolgte durch einen gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Die Linke und BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen (BT-Drs. 18/2737), folgte also gemeinsamer demokratischer Verantwortung, keinem Eiertanz um UnvereinbarkeitsbeschlĂŒsse. Die GesetzesĂ€nderung geschah freilich ohne verfassungsrechtliche Not, denn das BVerfG hatte die lange umstrittene mittelbare Wahl der Richterinnen und Richter nach der frĂŒheren Rechtslage fĂŒr verfassungskonform erachtet (BVerfGE 131, 230, 234 ff.; 142, 1, 3 f.). Tragend waren vielmehr demokratiepolitische ErwĂ€gungen.

Ein Blick in die Plenardebatte (Plenarprotokoll 18/106, S. 10193-10197) ist noch immer aufschlussreich: Man wollte – so Matthias Barke (SPD) – „die hohe LegitimitĂ€t des Bundesverfassungsgerichts“ erhalten und dazu „ein Wahlverfahren fĂŒr das höchste deutsche Gericht korrigieren, das seit Jahrzehnten verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch hochstrittig war“. Nur eine Wahl im Plenum werde – so Richard Pitterle (Die Linke) – „der Bedeutung dieses Gerichts, das Entscheidungen mit Gesetzeskraft trifft und das auch Entscheidungen des Bundestages revidieren kann, erst wirklich gerecht“. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) betonte das Anliegen, grĂ¶ĂŸere Transparenz zu schaffen und wies darauf hin, dass es nicht nur um rechtliche Qualifikation, sondern z. B. auch um Lebenserfahrung, Geschlecht oder regionale ReprĂ€sentation gehe. Die Plenarwahl werde „die Legitimation des Bundesverfassungsgerichts [
] stĂ€rken“. Renate KĂŒnast (BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen) wollte gar „eine Schieflage“ beseitigen, „um dem Verfassungsgericht mehr WĂŒrde zu geben“. Sie beklagte, dass die Wahl im Wahlausschuss „doch kurios“ sei, wĂŒrde dort „mehr Geheimhaltung [
] als an manch anderen Orten“ geĂŒbt.

Das sind alles redliche und nachvollziehbare demokratiepolitische ErwĂ€gungen. Aber von Anfang an gab es auch – wie sich nunmehr zeigt: nicht völlig unberechtigte – Sorgen, dass eine Verlagerung aus dem geschĂŒtzten Raum des Wahlausschusses in das Plenum zu einer Politisierung der Richterwahl fĂŒhren könnte, die die vorgeschlagenen Personen und damit mittelbar auch das Gericht beschĂ€digt. Erst recht stieß der heute wohlwollend als naiv zu bezeichnende Wunsch von Renate KĂŒnast, sogar öffentliche Anhörungen im Rechtsausschuss durchzufĂŒhren, auf (weitsichtige) Skepsis bei Katarina Barley (SPD), die nĂŒchtern erwĂ€hnte, dass sich das bisherige Verfahren im Wahlausschuss doch eigentlich bewĂ€hrt habe und „ein Verfahren, das dem amerikanischen Ă€hnelt, unserer Art, Verfassungsrechtsprechung zu betreiben, nicht gerecht wird“. Legitimationspolitik kann nicht unpolitisch bleiben und die Übertragung der Wahl auf das Plenum erfĂŒllt einen Sinn nur dann, wenn damit die PolitizitĂ€t erhöht wird, was aber gewisse Politisierungsrisiken in Kauf nimmt.

Wir brauchen neue Parlamentspraktiken

Wie mit einem Wahlverfahren praktisch umgegangen wird, lĂ€sst sich gesetzlich nur begrenzt steuern. Gefordert ist die Parlamentskultur, um die es seit einiger Zeit nicht nur gut bestellt ist. Ein anderes Verfahren der Richterwahl braucht andere Praktiken der Willensbildung. Nicht zuletzt mĂŒssen diese gewĂ€hrleisten, dass in der Bewertung komplexe Personalentscheidungen, die auf fachlicher Grundlage getroffen werden, nicht durch eine billige Popularisierung auf dem Niveau von Social Media-Halbwissen wieder auf dem Weg zum Plenarbeschluss entwertet werden.

Die hĂ€sslichen UmstĂ€nde im Kontext der nicht gescheiterten, sondern verschobenen Wahl haben dem Deutschen Bundestag erst einmal Zeit verschafft. Die Zeit sollte genutzt werden, die offenbar versĂ€umte AufklĂ€rungsarbeit nachzuholen und offenkundige MissverstĂ€ndnisse ĂŒber Positionen abzurĂ€umen. Vielleicht sind Vorstellungsrunden in den Fraktionen sogar ein geeigneter Weg, ein differenziertes Bild zu zeichnen, unberechtigte Sorgen zu entkrĂ€ften und berechtige Nachfragen zufriedenstellend zu beantworten. Der Deutsche Bundestag mĂŒsste auch mit Blick in die Zukunft neue Formen erproben, wie mit der 2015 institutionalisierten Plenumsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG sensibel und funktionsadĂ€quat in einem stĂ€rker polarisierten Parlament umzugehen ist. Gelingt das nicht, beschĂ€digt sich der Deutsche Bundestag vor allem selbst.

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