Das Chikungunya-Fieber grassiert auf La Réunion. Jetzt könnte das Virus den Sprung nach Europa schaffen
:
Kann Feed nicht laden oder parsen
cURL error 22: The requested URL returned error: 503
:
Kann Feed nicht laden oder parsen
cURL error 28: Connection timed out after 10005 milliseconds
:
Kann Feed nicht laden oder parsen
cURL error 22: The requested URL returned error: 404
:
Kann Feed nicht laden oder parsen
cURL error 22: The requested URL returned error: 404
Feed Titel: Wissenschaft - News und HintergrĂŒnde zu Wissen & Forschung | NZZ
:
Kann Feed nicht laden oder parsen
cURL error 22: The requested URL returned error: 404
Feed Titel: Verfassungsblog
Im ersten Absatz des ersten Artikels des Grundgesetzes steht das bundesrepublikanische Glaubensbekenntnis: âDie WĂŒrde des Menschen ist unantastbar.â Kein anderer Satz ist in Deutschland derart demonstrativ konsensfĂ€hig, kein anderer Satz bedient derart das deutsche BedĂŒrfnis nach moralischer, nicht zuletzt erinnerungspolitischer Selbstvergewisserung, und kein anderer Satz der Verfassung eignet sich gerade deshalb derart gut fĂŒr politisch zweckentfremdete Feindmarkierungen.
In einem der unrĂŒhmlichsten VorgĂ€nge der jĂŒngeren deutschen Politikgeschichte hat das die Potsdamer Professorin Frauke Brosius-Gersdorf erfahren mĂŒssen. Bekanntlich kollabierte noch am Tag ihrer geplanten Wahl die notwendige Zweidrittelmehrheit, weil innerhalb der Unionsfraktion etwa sechzig Abgeordnete signalisierten, nicht fĂŒr die Kandidatin stimmen zu wollen. Der sachliche Tagesordnungspunkt wurde flugs entfernt, stattdessen entspann sich im Plenum eine parlamentspolitische Debatte; begleitet, besser: getrieben von einer einigermaĂen beispiellosen Kampagne rechtsorientierter Medienunternehmen. Abgesehen von dem ebenso rasend schnell produzierten wie ausgerĂ€umten Plagiatsvorwurf eines bereits wegen ĂŒbler Nachrede vorbestraften âPlagiatsjĂ€gersâ stellte das ZentralstĂŒck der VorwĂŒrfe eine angebliche Missachtung der MenschenwĂŒrde dar.
Sie grĂŒndeten sich wesentlich auf den Auffassungen der Juristin zu den konstitutionellen Grenzen des Schwangerschaftsabbruchs (vgl. die heutige Stellungnahme von Frauke Brosius-Gersdorf). In der vorangegangenen Legislaturperiode war sie stellvertretende Koordinatorin einer Kommission âzur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizinâ, die in ihrem Abschlussbericht empfahl, den Abbruch in der FrĂŒhphase der Schwangerschaft als vollumfĂ€nglich rechtmĂ€Ăig anzuerkennen â statt ihn wie gegenwĂ€rtig nach § 218a StGB nur unter bestimmten UmstĂ€nden vom Tatbestand auszunehmen oder zu rechtfertigen. In den sozialen Medien wurde zusĂ€tzlich der anderthalb SĂ€tze umfassende Ausschnitt aus einem Festschriftbeitrag fĂŒr ihren akademischen Lehrer Horst Dreier skandalisiert, in dem sie schrieb: âDie Annahme, dass die MenschenwĂŒrde ĂŒberall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschlussâ (F. Brosius-Gersdorf, S. 756). Das ist eine juristisch vertretbare und analytisch begrenzte Feststellung. DarĂŒber, wo die MenschenwĂŒrde positiv greift, ist schlieĂlich noch nichts gesagt. Zugleich ist sie nur vor dem Hintergrund zweier grundlegender Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen zu verstehen.
Das Bundesverfassungsgericht kassierte im Jahr 1975 den kurz zuvor von der sozialliberalen Koalition reformierten § 218 StGB, der eine sogenannte Fristenlösung beinhaltete. Im ersten Trimester der Schwangerschaft sollte der Abbruch gĂ€nzlich straffrei bleiben. Mit diesem Urteil war nicht unbedingt zu rechnen. Im Grundgesetz ist bis auf eine Ausnahme (Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG) keine Norm zu finden, die die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens positiv gebietet. Das Gericht lieĂ sich davon nicht beeindrucken. Aus dem Grundrecht auf Leben konstruierte es vielmehr eine sogenannte Schutzpflicht, die dem Gesetzgeber die Entkriminalisierung geradewegs untersagte. Damit nicht genug, ihm war sogar eine bestimmte strafrechtliche Ausgestaltung anbefohlen. Er durfte allenfalls eng umgrenzte GrĂŒnde (beispielsweise schwere soziale Not oder Gewalteinwirkung) benennen, die die individuelle Strafe â nicht: die Rechtswidrigkeit â ausnahmsweise entfallen lieĂ. Im zweiten Urteil von 1993 blieb das Bundesverfassungsgericht bei der Schutzpflicht, rang sich aber dennoch dazu durch, eine pauschale Fristenlösung unter der MaĂgabe zu akzeptieren, dass der weiterhin rechtswidrige Abbruch bis zur 12. Woche nur dann straffrei blieb, wenn zuvor eine Beratung (daher: âBeratungslösungâ) erfolgt war.
Bei diesen beiden Urteilen nun spielte die MenschenwĂŒrde eine merkwĂŒrdige, fĂŒr sie allerdings charakteristische Doppelrolle. Sie ist einerseits Rechtssatz. Im besagten ersten Absatz des ersten Grundgesetzartikels steht sie wohl als ein Grundrecht unter anderen. Diese (abwehr-)rechtliche Seite verbietet konkrete Eingriffe absolut, etwa die Folter oder den Abschuss eines von Terroristen entfĂŒhrten Flugzeugs. Ist der sogenannte Schutzbereich der MenschenwĂŒrde einmal berĂŒhrt, kann das staatliche Handeln unter keinem Gesichtspunkt mehr gerechtfertigt sein. Auf diese Hinsicht kam es in beiden Urteilen indes niemals an. Das ist auch kaum ĂŒberraschend, denn durch die Tötung eines Menschen ist dessen MenschenwĂŒrde nicht per se verletzt. Das Grundgesetz erlaubt in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG ausdrĂŒcklich, in das Lebensrecht aufgrund eines Gesetzes einzugreifen. Weiterhin hĂ€tte das Gericht andernfalls auch keine wie auch immer gearteten Ausnahmen von der Strafe zulassen können. Das Grundrecht der MenschenwĂŒrde ist der AbwĂ€gung nicht zugĂ€nglich.
Was also ist uns die MenschenwĂŒrde noch? Sie ist ein Wert. Ohne die philosophisch recht tragische Geschichte des modernen Wertbegriffs aufrollen zu wollen, ist doch festzustellen, dass wir es mit einem höchst ambivalenten Gegenstand zu tun haben. In Sonderheit das Bundesverfassungsgericht bedient sich seit dem LĂŒth-Urteil von 1958 mit gröĂter Hingabe dieser Kategorie, um bestimmte verfassungsrechtliche Herleitungen metaphorisch ausladend auszuschmĂŒcken. Die MenschenwĂŒrde ist dabei als gesetzter âMittelpunkt des Wertsystems der Verfassungâ besonders vielseitig einsetzbar. Im Rahmen des Schwangerschaftsabbruchs spielt sie eine bemerkenswerte Rolle. Weniger fungiert sie hier als Rechtsgrund, denn vielmehr als basso continuo eines höchstrichterlich erkannten sittlichen Minimums. FĂŒr den âSchutz des ungeborenen Lebensâ hĂ€tte es ja keinen Unterschied gemacht, ob die Eizelle subjektiv ab Befruchtung an der MenschenwĂŒrde teilhat oder das Lebensrecht diesen Vorgang lediglich objektiv zu schĂŒtzen verpflichtet. In beiden FĂ€llen wĂ€re die Kriminalisierungspflicht das Ergebnis gewesen.
Was die Verleihung der MenschenwĂŒrde an diese jeweilige Eizelle dahingegen ermöglicht, ist die Konstitution eines eigenstĂ€ndigen Subjekts im Mutterleib. Somit ist dem Schwangerschaftsabbruch nicht nur verfassungsrechtlich die Strafbarkeit verordnet, ihr ist auch vom âWertsystemâ des Grundgesetzes â oder den Richtern (sic!) des damaligen Ersten Senats â eine âsozialethische MiĂbilligungâ erteilt. Diese ĂŒbervĂ€terliche AnmaĂung des Gerichts notierten Richterin v. BrĂŒnneck und Richter Simon in einem Sondervotum, und erwiderten spitz: âIn einem pluralistischen, weltanschaulich neutralen und freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen bleibt es den gesellschaftlichen KrĂ€ften ĂŒberlassen, Gesinnungspostulate zu statuieren.â In der zweiten Entscheidung von 1993 wird der Sittlichkeitspathos zwar oberflĂ€chlich weitgehend zurĂŒckgefahren, die âintensive, die Frau existentiell [!] betreffende Pflicht zum Austragen und GebĂ€ren des Kindesâ lĂ€sst sich der Senat gleichwohl nicht nehmen. Der Frau als Schwangeren bleibt das âWertsystemâ des Grundgesetzes ein stahlhartes GehĂ€use.
Insofern stehen Kommissionsbericht und Festschriftbeitrag tatsĂ€chlich im Widerspruch zur ĂŒberkommenden Verfassungsauslegung des Bundesverfassungsgerichts. Das ist, anders als in diesen Tagen nicht selten unterstellt, keineswegs unĂŒblich. In der Rechtswissenschaft werden regelmĂ€Ăig Ansichten vertreten, die von denen des Gerichts abweichen â obgleich dessen Rechtsprechung in letzter Zeit gerade das Lebensrecht von kryptotheologischer VerselbststĂ€ndigung (âLebenspflichtâ) auf persönliche Autonomie umgesattelt hat (vgl. insb. die Auseinandersetzung mit christlichen Standpunkten im Urteil zum Verbot geschĂ€ftsmĂ€Ăiger Sterbehilfe, Rn. 208-211). Ob sich die verfassungsrechtlich verbrĂ€mten âGesinnungspostulateâ des Jahres 1975 gegen eine echte demokratische Aushandlung im Mehrheitsverfahren weiter sperren können, ist eine mindestens diskussionswĂŒrdige Frage. Im Nachgang des Kommissionsberichtes sprachen Melina Reyher und Luisa Weyers daher von einem möglichen âneuen Kompromissâ. Dass im Ăbrigen eine staatliche Einrichtung (und eine solche ist das Bundesverfassungsgericht entgegen einem verbreiteten Volksglauben genauso wie die Bundesregierung) der Wissenschaft keine geistige Marschroute vorgeben kann, dĂŒrfte sogar vielleicht von der Wissenschaftsfreiheit intendiert sein.
In Anbetracht der dargelegten Rechtsprechung wird allerdings ebenfalls allzu einsichtig, warum sich die MenschenwĂŒrde fĂŒr jene konturlose, totalisierte, enthemmte Diskursdynamik besonders gut hergibt, die in den letzten Tagen so fĂŒrchterlich ĂŒber die deutsche Ăffentlichkeit hereinbrach: Die Behandlung der MenschenwĂŒrde in spezifisch juristischen Kontexten, mitsamt deren methodischen und geltungstheoretischen Annahmen, lĂ€sst sich umstandslos in die polemische Gefechtszone universalistischer Moral hineintragen. Wer die MenschenwĂŒrde mit dem herkömmlichen juristischen Instrumentarium als Recht behandelt, lĂ€uft unmittelbar Gefahr, ihr als âWertâ ausgeliefert zu sein. So kann man in der Zeitung âDie Weltâ, in âNiusâ oder aus dem rechtskatholischen Milieu heraus Frauke Brosius-Gersdorf der vermeintlich fehlenden âAchtungâ der MenschenwĂŒrde bezichtigen, aus der gesellschaftlichen âMitteâ â knapp 75% der Deutschen befĂŒrworten einen rechtmĂ€Ăigen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen â verbannen und sie mitunter auch kaum verhohlen als Menschenfeindin diffamieren, ohne dass der ursprĂŒngliche, wissenschaftliche Publikationszusammenhang dort jemandem Grund zum Zögern gibt. Eine rechtswissenschaftlich abgestĂŒtzte Kritik beansprucht niemand auch nur ansatzweise; man hat eben immerhin die MenschenwĂŒrde zur Hand, mal moralisch, mal theologisch, nie juristisch.
Die hier beschriebenen Gefahren der Wert-MenschenwĂŒrde sind in einem kleinen Privatdruck des Jahres 1960 so idiosynkratisch wie ertragreich ausgearbeitet. Verfasst wurde die Schrift namens âDie Tyrannei der Werteâ von Carl Schmitt, dem Neu-Kantianer des Kaiserreiches, legitimitĂ€tsbesessenen RechtsautoritĂ€ren der Weimarer Republik und legalitĂ€tsverachtenden Kronjuristen des Nationalsozialismus, der in den Nachkriegsjahren urplötzlich seine innige Liebe zur gesetzlichen Form entdeckte. Mit Max Weber weist Schmitt auf die besondere Kompromisslosigkeit des âWertdenkensâ hin. FĂŒr ihn lauert der BĂŒrgerkrieg gleich hinter der nĂ€chsten Ecke. Ungeachtet des paranoiden Tons und der teilweise unertrĂ€glich durchsichtigen Larmoyanz des Textes hĂ€lt er doch eine immer noch wertvolle Einsicht bereit: Werte kennen kein Verfahren, keine rationale Vermittlung, und keine rechtsstaatliche Trennung von Staat und Gesellschaft. Sie sind dem liberalen Staat eigentlich fremd.
Trotzdem kann mit ihnen, wie der mittlerweile recht ausgefeilte Wertformalismus des Bundesverfassungsgerichts pragmatisch beglaubigt, dogmatisch und vor allem rechtspraktisch ĂŒberraschend rechtssicher hantiert werden. Was immer dem Gericht die Werte zu Anfang bedeuteten, sie sind heute grundsĂ€tzlich in eine liberal gezĂ€hmte Begriffssprache assimiliert worden. Wissenschaftlich indes sind dabei nicht bloĂ weiterhin die bekannten autoritĂ€ren Potentiale von scheinbar objektiven Werteordnungen kritisch zu reflektieren. Es ist ebenso darĂŒber nachzudenken, welche diskursiven SprengsĂ€tze das lĂ€ngst nicht mehr auf die Rechtswissenschaft beschrĂ€nkte Wertdenken in die Ăffentlichkeit eingebracht hat. Einer hat jedenfalls letzten Freitag gezĂŒndet, und der Schaden an Person wie Institution ist groĂ.
Redaktionelle Notiz: Der Text enthielt in einer frĂŒheren Fassung den Hinweis, dass der Zweite Senat des BVerfG nicht mit verfassungsrechtlichen Fragen des Schwangerschaftsabbruchs befasst werden wĂŒrde. Der Hinweis ist nachtrĂ€glich entfernt worden.
The post Die Sache mit der MenschenwĂŒrde appeared first on Verfassungsblog.
Einen Kommentar zur derzeit schwebenden Wahl eines Richters und zweier Richterinnen an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abzugeben, fĂ€llt mir nicht leicht, weil man sich den Betroffenen fachlich wie menschlich verbunden fĂŒhlt. Der beschĂ€mende Umgang mit dem Wahlvorgang und zwei fachlich offenkundig hervorragend geeigneten Kolleginnen hat viele empört â auch mich. Empörung ist aber nie ein guter Ratgeber. Die Causa bietet jedoch einen Anlass, sich die rechtliche Funktion des Wahlverfahrens, dessen ungeschriebene Voraussetzungen und damit die Gelingensbedingungen von ĂŒberzeugenden Richterwahlen nĂ€her anzusehen.
Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) regelt im Wesentlichen nur das Wahlverfahren fĂŒr die Richterinnen und Richter des BVerfG. Die vom Bundestag zu berufenden Richterinnen und Richter werden nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auf Vorschlag des Wahlausschusses (§ 6 Abs. 2 BVerfGG) ohne Aussprache mit verdeckten Stimmzetteln gewĂ€hlt. Die vom Bundesrat zu berufenden Richterinnen und Richter werden nach § 7 BVerfGG mit zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates gewĂ€hlt. Thematisiert werden also nur die Mechanismen der Legitimationssicherung, wĂ€hrend die vorgelagerte Personalauswahl vom Gesetz nicht adressiert wird und weitgehend opak bleibt. Klar ist aber, dass die entscheidende Personalfindung im Vorfeld stattfinden muss und zugleich zwischen Bundestag und Bundesrat zu koordinieren ist, um eine ausgewogene Gesamtbesetzung des Gerichts zu gewĂ€hrleisten.
Welche persönlichen Anforderungen an Richterinnen und Richter zu stellen sind, bleibt weitgehend ungeregelt. Das Gebot der Auswahl nach Eignung, BefĂ€higung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) gilt richtigerweise nicht. Das Wahlverfahren nach Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG ist lex specialis und bindet die wĂ€hlenden Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat nicht an materielle Auswahlkriterien. § 3 Abs. 1-2 BVerfGG enthĂ€lt lediglich formale Bedingungen der WĂ€hlbarkeit (Mindestalter, BefĂ€higung zum Richteramt). Eine vernĂŒnftige Personalauswahl, die den Funktionen und Aufgaben des BVerfG gerecht wird, wird daher den politischen KrĂ€ften anvertraut, die einen Wahlvorschlag vorbereiten. Das hat auch in den bald 75 Jahren Geschichte des BVerfG im GroĂen und Ganzen recht gut funktioniert.
Besetzt werden soll kein politisches Organ, sondern ein Gericht, das auch das BVerfG â bei allen Besonderheiten seiner Entscheidungskompetenzen â bleibt (§ 1 BVerfGG). Der Umgang mit dem Verfassungsrecht erfordert daher zunĂ€chst einmal belegte hohe juristische ProfessionalitĂ€t. Verfassungsinterpretation ist anspruchsvoll. Obgleich die unhintergehbare Kontingenz bei der Ausdeutung offener Verfassungsbestimmungen nicht werturteilsfrei möglich ist, geht es weniger um â in der Politik gerne beschworene, aber oft nur intellektuelle Hilflosigkeit markierende â âWerteâ, sondern vorrangig um solides Handwerk. Einzelne Richterinnen und Richter mĂŒssen in der Lage sein, einen heterogenen achtköpfigen Senat fachlich zu ĂŒberzeugen. Das gelingt nur mit juristischen Argumenten, nicht mit einer politischen Agenda.
Wichtiger als inhaltliche Positionierungen in einzelnen Sachfragen ist daher die zu erwartende BegrĂŒndungsqualitĂ€t, also die methodische Stringenz und Ăberzeugungskraft, sowie die FĂ€higkeit, juristische Argumente nachvollziehbar (und damit: kritisierbar) zu vermitteln. Nicht weniger wichtig ist die Bereitschaft, andere Positionen ernst zu nehmen und sich mit ihnen seriös auseinanderzusetzen. Ob das geschieht oder nicht, lĂ€sst sich gerade bei Professorinnen und Professoren vergleichsweise einfach verifizieren, haben diese doch typischerweise umfangreich veröffentlicht. DiskursfĂ€higkeit hĂ€ngt weniger von mitunter streitbaren Ausgangspositionen als von der Bereitschaft ab, diese zu reflektieren und entscheidungsorientiert zu ĂŒberdenken.
Wenn man ausgezeichnete Staatsrechtslehrerinnen und Staatsrechtslehrer am Gericht haben möchte, muss man auch damit leben, dass diese mitunter eigenwillige Positionen vertreten (haben). Wissenschaftliche Karrieren werden nicht durch NacherzĂ€hlen der BVerfG-Rechtsprechung gemacht und wir alle erwarten von einer Wissenschaft, die gerade im Verfassungsrecht kritische Gegenöffentlichkeit zu den Praktiken der staatlichen Organe sein soll, genauer hinzusehen, festgefahrene Dogmen zu hinterfragen und â vielleicht auch einmal provokativ â bessere BegrĂŒndungen einzufordern.
Konsensbasierte Verfassungsrechtsprechung eines Kollegialgerichts funktioniert zudem anders als die Entfaltung individueller Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG). Die unterschiedlichen Rollenfunktionen von individueller Wissenschaftlerin einerseits und Richterin in einem Kollegialgericht muss man unterscheiden können. Die wissenschaftlich geschulte FĂ€higkeit, genau hinzusehen und Konflikte prĂ€zise zu adressieren, dĂŒrfte hingegen unabhĂ€ngig vom eigenen Ausgangspunkt immer helfen, Entscheidungen noch besser zu machen. Wer hingegen plump politische PassfĂ€higkeit honoriert, schadet nicht nur dem Gericht, sondern verschenkt auch reale Einflusschancen auf die Rechtsprechung. Das BVerfG ist kein verlĂ€ngerter Biertisch der Nation â oder sollte es jedenfalls nicht werden.
Die Staatsrechtslehre sollte sich wiederum selbstkritisch fragen, ob der Hang einiger Mitglieder, verfassungsrechtliche Positionen in simple politische Botschaften im X-Format umzugieĂen, nicht genau der NĂ€hrboden ist, auf dem Diskurse politisiert eskalieren. Wer 100 Seiten Bundesverfassungsgerichtsbeschluss auf ein paar polemische Kurzbotschaften reduziert, suggeriert ein Niveau von Verfassungsrecht, auf dem dann wirklich jeder nach politischem Gusto mitreden kann.
Aus den Erwartungen an eine gelungene Personalauswahl ergeben sich Anforderungen an die informale Organisation der Wahlvorbereitung durch die Politik. Die Beurteilung, ob jemand entsprechende QualitĂ€ten mitbringt oder nicht, setzt unvermeidbar akribische Vorbereitungen (durch geeignete StĂ€be) voraus, die wissenschaftliche Positionen in ihrer BegrĂŒndungsqualitĂ€t, Sorgfalt und Differenziertheit analysieren. Man muss sich sehr genau ansehen, ob vertretene Positionen nachvollziehbar wissenschaftlich begrĂŒndet sind oder camouflierte politische Statements mit ein paar angeklebten AnstandsfuĂnoten bleiben. Vertretene Interpretationen sind in den Meinungsstand einzuordnen, der immer breiter sein wird als der verfassungsdogmatische Mainstream.
Gerade weil Verfassungsinterpretation mehr als professionelles Verfassungshandwerk ist, kommt es darauf an, innerhalb eines Korridors des Ernstzunehmenden auf die pluralistische Ausrichtung des Gerichts insgesamt zu achten. Argumentative QualitĂ€t und Pluralismus der Positionen sind keine Garantie fĂŒr ausgewogene Rechtsprechung, aber doch immer noch das beste Sicherheitsnetz gegen Einseitigkeiten, politische Vereinnahmung oder mangelnde epistemische HĂ€rte in der Rechtsprechung des Gerichts. Daran sollten eigentlich alle Mitglieder des Deutschen Bundestags ein gemeinsames Interesse haben. Bei Professorinnen und Professoren ist daher eine grĂŒndlichere Aufbereitung des wissenschaftlichen Werkes kaum verzichtbar, bei den Berufsrichterinnen und -richtern kommt es vermutlich auf Beurteilungen innerhalb der obersten Bundesgerichte an, wenn man es mit der RechtsprechungsqualitĂ€tssicherung ernst nimmt. Wer hingegen in den wissenschaftlichen Positionen einer zur Wahl vorgeschlagenen Professorin vornehmlich seine eigenen politischen âWerteâ sucht, hat weder die Funktion pluralistischer Personalauswahl noch die Arbeitsmechaniken von Verfassungsrechtsprechung richtig verstanden. Das sollte peinlich sein.
Der irrlichternde Umgang mit Frauke Brosius-Gersdorf bietet gleich kumuliertes Anschauungsmaterial, wie Richterwahlen nicht ablaufen sollten. UrsprĂŒnglich entzĂŒndete sich Streit an Positionen zum Lebensschutz Ungeborener. Das verwundert. Es ist seit Jahrzehnten in der Grundrechtsdogmatik umstritten, ob Lebensschutz untrennbar mit der Zuschreibung von MenschenwĂŒrde verbunden ist (so die Linie des BVerfG, die auch ich fĂŒr richtig halte) oder ob beides entkoppelt werden sollte, was nicht nur Brosius-Gersdorf, sondern viele in der Staatsrechtslehre mit nachvollziehbaren Argumenten vertreten. Hier geht es um einen dogmatischen Meinungsstreit, dessen Folgen vermutlich ĂŒberschaubar bleiben. Selbst wenn man Embryonen und Föten MenschenwĂŒrde zuschreibt, ist damit die Frage der Rechtsfolgen noch nicht beantwortet, die hieraus qua staatlicher Schutzpflicht gezogen werden. Das ist schwierig und wird â wie jeder mehrpolige Grundrechtskonflikt â immer differenzierte Konzepte staatlicher Intervention erfordern. In der AbwĂ€gung liegt die StĂ€rke unseres Grundrechtsmodells. In welchem Umfang Kriminalisierung zum wirksamen Schutz Ungeborener notwendig ist, kann man unterschiedlich bewerten. Unterscheidet sich das aus krummem Holz geschnitzte Konzept folgenloser Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, das das BVerfG erfunden hat, wirklich substantiell von dem, was gegenwĂ€rtig als âLiberalisierungâ diskutiert wird? Die in der dogmatischen Stringenz verkorkste Rechtsprechung des BVerfG zum Abtreibungsstrafrecht (BVerfGE 39, 1; 88, 203) war â wenig verwunderlich â von Anfang an von Kritik begleitet, und zwar von beiden Seiten. WĂ€hrend einige den Lebensschutz nicht konsequent genug verwirklicht sehen, beklagen andere eine Ăberdehnung der Schutzpflichten zu Lasten des Persönlichkeitsrechts der Schwangeren. FĂŒr beide Perspektiven gibt es gute Argumente. Sollte man darĂŒber nicht verfassungsdogmatisch streiten können?
Mitglieder des Deutschen Bundestags bilden ein breites Spektrum an Sozialisationen, Lebenserfahrungen und beruflichen HintergrĂŒnden ab â ob breit genug, steht auf einem anderen Blatt. Niemand muss jedenfalls Expertin oder Experte der Verfassungsauslegung sein und sich mit den mitunter verĂ€stelten Fragen der Verfassungsdogmatik trittsicher auskennen. Das ist fĂŒr kluge Wahlentscheidungen auch nicht nötig, so wenig wie der Deutsche Bundestag ĂŒber Steuergesetze abstimmt, deren Regelungsgehalt 630 Abgeordnete verstanden haben.
Es stĂŒnde dann aber allen besser zu Gesicht, ZurĂŒckhaltung zu ĂŒben, wenn es um die Bewertung verfassungsdogmatischer Positionen geht, die wissenschaftlich zu begrĂŒnden und einzuordnen sind, aber keine politischen Bekenntnisse abbilden sollen. Wertepathos ist ein schlechter Kompass, um durch komplexe Verfassungsdogmatik zu navigieren. Hier gilt wie ganz allgemein die Maxime parlamentarischer Arbeitsteilung im gegenseitigen Vertrauen nach dem Berichterstatterprinzip. Die Freiheit des Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) ist auch die Freiheit, sich Sacharbeit nach unterschiedlichen Erfahrungen, FĂ€higkeiten und Arbeitsthemen zu teilen. Aus diesem Grund ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch der vorgreifliche Vorschlag des professionalisierten Wahlausschusses konstitutiv fĂŒr die Plenumswahl. Vertrauen in den dort aggregierten Sachverstand muss man freilich organisieren. Das setzt FĂŒhrungskompetenz in den Fraktionsspitzen voraus. Wenn hingegen die Wahl der Richterinnen und Richter zu einer rebellischen Bauchentscheidung mit diffusem Wertegrummeln auf der Informationsgrundlage aus dem Kontext gerissener Zitate verkommen sollte, wĂŒrde der Deutsche Bundestag als fachspezifisches Wahlorgan versagen.
In den bisherigen Debatten ist ein weiterer Aspekt unterbelichtet geblieben. Alle drei Vorgeschlagenen wĂ€ren nach der bis 2015 geltenden Rechtslage gemÀà § 6 BVerfGG a. F. bereits gewĂ€hlt, und zwar durch den Wahlausschuss. Man hatte sich jedoch seinerzeit entschieden, den zwölf Abgeordnete umfassenden Wahlausschuss (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) auf eine (konstitutive) Vorschlagsfunktion zu reduzieren und die Wahl dem Plenum des Deutschen Bundestags zu ĂŒbertragen. Das Neunte Gesetz zur Ănderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vom 24. Juni 2015 (BGBl. I S. 973) schuf die gegenwĂ€rtige Regelung des § 6 BVerfGG. Vielleicht ist es gerade jetzt eine gute Zeit, daran zu erinnern: Die Reform der Richterwahl erfolgte durch einen gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Die Linke und BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen (BT-Drs. 18/2737), folgte also gemeinsamer demokratischer Verantwortung, keinem Eiertanz um UnvereinbarkeitsbeschlĂŒsse. Die GesetzesĂ€nderung geschah freilich ohne verfassungsrechtliche Not, denn das BVerfG hatte die lange umstrittene mittelbare Wahl der Richterinnen und Richter nach der frĂŒheren Rechtslage fĂŒr verfassungskonform erachtet (BVerfGE 131, 230, 234 ff.; 142, 1, 3 f.). Tragend waren vielmehr demokratiepolitische ErwĂ€gungen.
Ein Blick in die Plenardebatte (Plenarprotokoll 18/106, S. 10193-10197) ist noch immer aufschlussreich: Man wollte â so Matthias Barke (SPD) â âdie hohe LegitimitĂ€t des Bundesverfassungsgerichtsâ erhalten und dazu âein Wahlverfahren fĂŒr das höchste deutsche Gericht korrigieren, das seit Jahrzehnten verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch hochstrittig warâ. Nur eine Wahl im Plenum werde â so Richard Pitterle (Die Linke) â âder Bedeutung dieses Gerichts, das Entscheidungen mit Gesetzeskraft trifft und das auch Entscheidungen des Bundestages revidieren kann, erst wirklich gerechtâ. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) betonte das Anliegen, gröĂere Transparenz zu schaffen und wies darauf hin, dass es nicht nur um rechtliche Qualifikation, sondern z. B. auch um Lebenserfahrung, Geschlecht oder regionale ReprĂ€sentation gehe. Die Plenarwahl werde âdie Legitimation des Bundesverfassungsgerichts [âŠ] stĂ€rkenâ. Renate KĂŒnast (BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen) wollte gar âeine Schieflageâ beseitigen, âum dem Verfassungsgericht mehr WĂŒrde zu gebenâ. Sie beklagte, dass die Wahl im Wahlausschuss âdoch kuriosâ sei, wĂŒrde dort âmehr Geheimhaltung [âŠ] als an manch anderen Ortenâ geĂŒbt.
Das sind alles redliche und nachvollziehbare demokratiepolitische ErwĂ€gungen. Aber von Anfang an gab es auch â wie sich nunmehr zeigt: nicht völlig unberechtigte â Sorgen, dass eine Verlagerung aus dem geschĂŒtzten Raum des Wahlausschusses in das Plenum zu einer Politisierung der Richterwahl fĂŒhren könnte, die die vorgeschlagenen Personen und damit mittelbar auch das Gericht beschĂ€digt. Erst recht stieĂ der heute wohlwollend als naiv zu bezeichnende Wunsch von Renate KĂŒnast, sogar öffentliche Anhörungen im Rechtsausschuss durchzufĂŒhren, auf (weitsichtige) Skepsis bei Katarina Barley (SPD), die nĂŒchtern erwĂ€hnte, dass sich das bisherige Verfahren im Wahlausschuss doch eigentlich bewĂ€hrt habe und âein Verfahren, das dem amerikanischen Ă€hnelt, unserer Art, Verfassungsrechtsprechung zu betreiben, nicht gerecht wirdâ. Legitimationspolitik kann nicht unpolitisch bleiben und die Ăbertragung der Wahl auf das Plenum erfĂŒllt einen Sinn nur dann, wenn damit die PolitizitĂ€t erhöht wird, was aber gewisse Politisierungsrisiken in Kauf nimmt.
Wie mit einem Wahlverfahren praktisch umgegangen wird, lĂ€sst sich gesetzlich nur begrenzt steuern. Gefordert ist die Parlamentskultur, um die es seit einiger Zeit nicht nur gut bestellt ist. Ein anderes Verfahren der Richterwahl braucht andere Praktiken der Willensbildung. Nicht zuletzt mĂŒssen diese gewĂ€hrleisten, dass in der Bewertung komplexe Personalentscheidungen, die auf fachlicher Grundlage getroffen werden, nicht durch eine billige Popularisierung auf dem Niveau von Social Media-Halbwissen wieder auf dem Weg zum Plenarbeschluss entwertet werden.
Die hĂ€sslichen UmstĂ€nde im Kontext der nicht gescheiterten, sondern verschobenen Wahl haben dem Deutschen Bundestag erst einmal Zeit verschafft. Die Zeit sollte genutzt werden, die offenbar versĂ€umte AufklĂ€rungsarbeit nachzuholen und offenkundige MissverstĂ€ndnisse ĂŒber Positionen abzurĂ€umen. Vielleicht sind Vorstellungsrunden in den Fraktionen sogar ein geeigneter Weg, ein differenziertes Bild zu zeichnen, unberechtigte Sorgen zu entkrĂ€ften und berechtige Nachfragen zufriedenstellend zu beantworten. Der Deutsche Bundestag mĂŒsste auch mit Blick in die Zukunft neue Formen erproben, wie mit der 2015 institutionalisierten Plenumsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG sensibel und funktionsadĂ€quat in einem stĂ€rker polarisierten Parlament umzugehen ist. Gelingt das nicht, beschĂ€digt sich der Deutsche Bundestag vor allem selbst.
The post Parlamentskultur und Bundesverfassungsrichterwahl appeared first on Verfassungsblog.
The right to a healthy environment is at the heart of the landmark Advisory Opinion 32/25 (AO-32/25) on the climate emergency from the Inter-American Court of Human Rights (IACtHR). After a detailed description of scientific evidence about the devastating impacts of the climate crisis, the IACtHR devoted more than thirty pages of its 234-page opinion to describing the content of the right to a healthy environment and the associated obligations of States. The IACtHR described the ongoing climate emergency as an existential threat to the future of humankind (paras. 289, 302), and identifies the right to a healthy environment âas the principal right affected by climate changeâ (para. 268). This blog post addresses three points related to the articulation of rights in the advisory opinion, namely the right to a healthy climate, the rights of Nature, and the recognition of a new jus cogens norm prohibiting massive and irreversible damage to the climate and the environment.
In AO-32/25, the IACtHR began its analysis of the right to a healthy environment, a right recognized in Article 11(1) of the San Salvador Protocol to the American Convention on Human Rights, by reiterating highlights of its earlier jurisprudence. Echoing its widely cited Advisory Opinion 23/17 (AO-23/17) on human rights and the environment, the IACtHR again described the right to a healthy environment as âfundamental to the existence of humanityâ (para. 272).
The IACtHR also drew upon three of its earlier rulings in contentious cases involving the right to a healthy environment, all issued in 2024. In Pueblos Rama Y Kriol, Comunidad Negra Creole IndĂgena De Bluefields Y Otros Vs. Nicaragua, the IACtHR described the right to a healthy environment as comprised of a set of procedural and substantive elements. The procedural elements include access to information, public participation in environmental decision-making and access to justice with effective remedies. The substantive elements mentioned by the IACtHR include air, water, food, ecosystems and the climate, among others, as articulated by the UN Special Rapporteur on human rights and the environment.
In Inhabitants of La Oroya v. Peru, the IACtHR confirmed that clean air and clean water are substantive elements of the right to a healthy environment, effectively meaning that people have the right to breathe clean air and access safe and sufficient water. In Uâwa Indigenous People and its members v. Colombia, the IACtHR highlighted that States must address the triple planetary crisis of the climate emergency, biodiversity loss and pervasive toxic pollution in an integrated, rights-based manner in order to fulfill their obligations under the right to a healthy environment.
The right to a healthy environment is consistently described by the IACtHR as an autonomous right, with individual and collective dimensions. At the individual level, environmental damage can have direct and indirect impacts on health, livelihoods, access to water, cultural practices, and more. At the collective level, the right belongs to present and future generations, both of whom require a healthy environment in order to survive, develop and flourish. Because of the wide-ranging impacts of environmental damage, the IACtHR reasoned, protection of the right to a healthy environment is a prerequisite for the enjoyment of all human rights. As the Supreme Court of Brazil (Supremo Tribunal Federal) warned in 2022 (see here), âthere are no human rights on a dead or sick planet.â
In AO-32/25, the IACtHR clarified that the right to a healthy climate is a substantive element of the right to a healthy environment. The IACtHR defines this right as requiring âa climate system free from anthropogenic interference that is dangerous to humans and to Nature as a wholeâ (para 300). Because the right to a healthy environment belongs to both present and future generations, States must avoid placing disproportionate burdens on either, by taking climate action (e.g. transitioning from fossil fuels to renewables) too slowly or too quickly.
The IACtHR explained that the right to a healthy environment and the right to a healthy climate require States to establish, implement and enforce a wide-ranging suite of measures to address the climate emergency (paras. 266 ff). These include mitigating and adapting to climate change, protecting Nature and making progressive strides towards sustainable development. States are obligated to use the best available science and technology, complemented by traditional, local and Indigenous knowledge to address climate change.
For mitigation, States must: regulate, monitor and control, and require and approve environmental impact studies. Regulation includes defining a mitigation target, developing and implementing a rights-based mitigation strategy, and regulating the behavior of businesses. Regarding the appropriate target, the IACtHR highlighted the international consensus in the Paris Agreement on a temperature increase of no more than 1.5 °C above pre-industrial levels as valuable, but warned that even this seemingly ambitious goal does not eliminate the risk to millions of people in the region. Mitigation targets are to be as ambitious as possible, informed by a nationâs current and cumulative historical greenhouse gas (GHG) emissions, its capacity to contribute to mitigation measures, and other national circumstances (e.g. debt, poverty, inequality), with the long-term goal of being carbon neutral. States must adopt âbinding measuresâ to achieve the mitigation target, apply the maximum available resources, avoid reliance on unproven technologies, and target the main sources of emissions (fossil fuels, agriculture and deforestation).
States must ensure that both domestic and international policies are consistent with climate mitigation objectives, a requirement which would seem to bring into question current policies ranging from fossil fuel subsidies to investor-State dispute settlement provisions in international trade and investment agreements that impede climate action (paras. 344, 351). The IACtHR repeatedly emphasized the importance of applying the polluter pays principle (e.g. paras. 216, 287, 350), and urged States to eliminate emissions of short-lived climate pollutants, such as methane, as quickly as possible (because this category of GHGs exacerbates the climate crisis in the short-term, para. 50).
With respect to fulfilling the rights to a healthy climate and environment through protecting Nature and increasing ecosystem resilience, mitigation strategies also must include âmeasures aimed at protecting biodiversity and ecosystems, particularly those that play a key role in the regulation of the climate system and the planetâs natural cycles, including the oceans and the marine and coastal environment, soils, forests and mangrovesâ (para. 339). According to the IACtHR, States must expand terrestrial and marine protected areas with a focus on ecosystems particularly vulnerable to climate change impacts (para. 366). In Latin America and the Caribbean, the IACtHR highlighted the Amazon, wetlands, coral reefs, mangroves, the Andean Altiplano and its tropical glaciers, the Mesoamerican Barrier Reef System, the La Plata Basin and the ChocoÌ Region (Tumbes-ChocoÌ- Magdalena) as ecosystems particularly susceptible to climate change (para. 366).
The IACtHR also called for the development of regional platforms for sharing climate information; assessing impacts and risks and planning appropriate adaptation measures based on science and traditional, local and Indigenous knowledge; and establishing and implementing effective mechanisms to monitor and evaluate the strategies and policies developed.
Of paramount importance to address climate change is the obligation of prevention, which requires States to regulate, supervise and oversee the activities of State-owned and private businesses that create risks to human rights. States themselves must act with enhanced due diligence because of the extremely serious impacts of the climate emergency and the urgency of effective measures to avoid irreparable impacts on people. To address emissions from businesses, States must âenact legislation obliging companies to conduct human rights and climate change due diligence along the entire value chainâ (para 347). While such legislation exists in Europe, it is unprecedented in the Americas and the Caribbean. States must also require businesses to disclose and reduce their emissions, avoid greenwashing, avoid undue influence on climate policy, and support human rights defenders (para. 347).
In AO-32/25, the IACtHR reiterated its statement from AO-23/17 that the right to a healthy environment âprotects the components of the environment, such as forests, rivers, seas and others, as legal interests in themselves, even in the absence of certainty or evidence of risk to individual personsâ (para. 273). However, the IACtHR went further in AO-32/25, pushing the boundaries of international human rights law by articulating an expansive conception of the rights of Nature as implicit in, or linked to, the right to a healthy environment because of the vital importance of healthy ecosystems and biodiversity that âmake life on the planet possibleâ (para. 273). Nature, according to the IACtHR, has the âright to maintain its essential ecological processesâ (para. 279). As a result, States âhave a positive obligation to adopt measures to ensure the protection, restoration and regeneration of ecosystemsâ (para. 283).
The IACtHR further emphasized the importance of integrating rights-based climate action and rights-based protection of Nature: âThe protection of the global climate system requires safeguarding the integrity of ecosystems and the living and non-living components that make up and sustain them. In turn, the preservation of climatic conditions compatible with life is essential to maintain the balance and functionality of these ecosystemsâ (para. 315). In all policies and actions to protect and restore Nature, States are obligated to respect the rights of Indigenous and tribal peoples, as well as other communities that have a close relationship with local ecosystems.
The rights of Nature are increasingly incorporated in legal systems in Latin America through constitutions (e.g. Ecuador, several Mexican states), legislation (e.g. Bolivia, Panama), and court decisions (e.g. Colombia, Peru). However, this concept is still at a nascent stage in the legal systems of the Caribbean, Canada, the United States and many other regions of the world. While the discussion of rights of nature in AO-32/25 is a potentially significant development, it must be noted that three judges dissented from the majorityâs ruling regarding the recognition of Nature as a subject of rights.
Another remarkable aspect of AO-32/25 is that for the first time, an international court directly confronts the existential threat posed by multiple, related planetary environmental crises. Drawing upon well-established scientific evidence, the IACtHR identified a list of human activities that threaten the ecological conditions necessary for life on Earth by directly causing irreversible damage to ecosystems, including:
The IACtHR emphasized that the âdevelopment of the normative tools necessary to make the survival of present and future generations on a habitable planet feasible constitutes a universal value that is the subject of growing concern, deliberation and action on the part of the international communityâ (para 287). This leads to the IACtHRâs conclusion that there is a jus cogens norm prohibiting human activities that have massive and irreversible impacts on the climate, the environment or the vital balance of the planetary ecosystem (see Markus Gehringâs contribution to this symposium on this point).
The IACtHR added: âIt is evident that the preservation of the vital balance of the ecosystem that makes the life of species â including our own â possible on the planet, constitutes a sine qua non condition for the validity of all human rights recognized by international law, and immediately the rights to life, integrity, health and non-discriminationâ (para. 293). This is likely to be one of the most contentious aspects of AO-32/25, as reflected in the fact that three judges dissented on this point.
Courts are understandably cautious in articulating jus cogens norms because there are no derogations permitted by these powerful normsâthey are binding on all States. Yet in light of the profound threats to human and more-than-human life posed by the climate emergency, the IACtHRâs reasoning seems unassailable. Actions that jeopardize the future of life on Earth should be prohibited by law.
In the face of recent backtracking on climate commitments by governments (e.g. United States and Canada) and businesses (e.g. major financial institutions, oil and gas companies), AO-32/25 comes at a critical juncture in the efforts to stave off an existential threat to many people, species, communities, ecosystems and nations.
Three of the most striking aspects of the ruling are the articulation of a right to a healthy climate, the expansive description of the rights of Nature, and the recognition of a new jus cogens norm prohibiting massive and irreversible damage to the climate and the environment.
Finding that a right to a healthy climate is a substantive element of the right to a healthy environment builds on a strong foundation of existing jurisprudence and is unlikely to be contentious. The right to a healthy environment enjoys widespread recognition at the national level, as 165 UN member States (over 85 percent of States) recognize this right in law. AO-32/25 is the latest in a series of developments advancing the right to a healthy environment, sparked by landmark resolutions of the UN Human Rights Council in 2021 and the UN General Assembly in 2022, that include international declarations, constitutional amendments, ground-breaking legislation, and court decisions.
The bold developments related to Nature as a subject of rights and a new jus cogens norm prohibiting irreversible damage to the climate and the environment are more likely to be controversial. While the IACtHRâs reasoning is sound on both issues, those who support the incremental development of international law through State-led negotiations rather than judicial intervention are likely to be critical.
At the end of the day, AO-32/25 marks the clearest ruling to date from an international court on the urgency of transformative changes to address the existential threat of the planetary environmental emergency caused by human activities. According to the IACtHR, the effective defence of the right to a healthy climate requires âmoving decisively towards a truly sustainable development model that harmonises human activity with the ecological limits of the planetâ (para 316). The ruling sets a high bar for the forthcoming advisory opinion from the International Court of Justice, which is also expected to address the right to a healthy environment and its implications for State action to address the climate crisis in its forthcoming advisory opinion.
The post The Right to a Healthy Environment as a Catalyst for Urgent and Ambitious Climate Action at the IACtHR appeared first on Verfassungsblog.
:
Kann Feed nicht laden oder parsen
cURL error 28: Connection timed out after 10005 milliseconds
:
Kann Feed nicht laden oder parsen
cURL error 22: The requested URL returned error: 404
Feed Titel: Wissenschaft - News und HintergrĂŒnde zu Wissen & Forschung | NZZ
Feed Titel: Verfassungsblog
Im ersten Absatz des ersten Artikels des Grundgesetzes steht das bundesrepublikanische Glaubensbekenntnis: âDie WĂŒrde des Menschen ist unantastbar.â Kein anderer Satz ist in Deutschland derart demonstrativ konsensfĂ€hig, kein anderer Satz bedient derart das deutsche BedĂŒrfnis nach moralischer, nicht zuletzt erinnerungspolitischer Selbstvergewisserung, und kein anderer Satz der Verfassung eignet sich gerade deshalb derart gut fĂŒr politisch zweckentfremdete Feindmarkierungen.
In einem der unrĂŒhmlichsten VorgĂ€nge der jĂŒngeren deutschen Politikgeschichte hat das die Potsdamer Professorin Frauke Brosius-Gersdorf erfahren mĂŒssen. Bekanntlich kollabierte noch am Tag ihrer geplanten Wahl die notwendige Zweidrittelmehrheit, weil innerhalb der Unionsfraktion etwa sechzig Abgeordnete signalisierten, nicht fĂŒr die Kandidatin stimmen zu wollen. Der sachliche Tagesordnungspunkt wurde flugs entfernt, stattdessen entspann sich im Plenum eine parlamentspolitische Debatte; begleitet, besser: getrieben von einer einigermaĂen beispiellosen Kampagne rechtsorientierter Medienunternehmen. Abgesehen von dem ebenso rasend schnell produzierten wie ausgerĂ€umten Plagiatsvorwurf eines bereits wegen ĂŒbler Nachrede vorbestraften âPlagiatsjĂ€gersâ stellte das ZentralstĂŒck der VorwĂŒrfe eine angebliche Missachtung der MenschenwĂŒrde dar.
Sie grĂŒndeten sich wesentlich auf den Auffassungen der Juristin zu den konstitutionellen Grenzen des Schwangerschaftsabbruchs (vgl. die heutige Stellungnahme von Frauke Brosius-Gersdorf). In der vorangegangenen Legislaturperiode war sie stellvertretende Koordinatorin einer Kommission âzur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizinâ, die in ihrem Abschlussbericht empfahl, den Abbruch in der FrĂŒhphase der Schwangerschaft als vollumfĂ€nglich rechtmĂ€Ăig anzuerkennen â statt ihn wie gegenwĂ€rtig nach § 218a StGB nur unter bestimmten UmstĂ€nden vom Tatbestand auszunehmen oder zu rechtfertigen. In den sozialen Medien wurde zusĂ€tzlich der anderthalb SĂ€tze umfassende Ausschnitt aus einem Festschriftbeitrag fĂŒr ihren akademischen Lehrer Horst Dreier skandalisiert, in dem sie schrieb: âDie Annahme, dass die MenschenwĂŒrde ĂŒberall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschlussâ (F. Brosius-Gersdorf, S. 756). Das ist eine juristisch vertretbare und analytisch begrenzte Feststellung. DarĂŒber, wo die MenschenwĂŒrde positiv greift, ist schlieĂlich noch nichts gesagt. Zugleich ist sie nur vor dem Hintergrund zweier grundlegender Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen zu verstehen.
Das Bundesverfassungsgericht kassierte im Jahr 1975 den kurz zuvor von der sozialliberalen Koalition reformierten § 218 StGB, der eine sogenannte Fristenlösung beinhaltete. Im ersten Trimester der Schwangerschaft sollte der Abbruch gĂ€nzlich straffrei bleiben. Mit diesem Urteil war nicht unbedingt zu rechnen. Im Grundgesetz ist bis auf eine Ausnahme (Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG) keine Norm zu finden, die die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens positiv gebietet. Das Gericht lieĂ sich davon nicht beeindrucken. Aus dem Grundrecht auf Leben konstruierte es vielmehr eine sogenannte Schutzpflicht, die dem Gesetzgeber die Entkriminalisierung geradewegs untersagte. Damit nicht genug, ihm war sogar eine bestimmte strafrechtliche Ausgestaltung anbefohlen. Er durfte allenfalls eng umgrenzte GrĂŒnde (beispielsweise schwere soziale Not oder Gewalteinwirkung) benennen, die die individuelle Strafe â nicht: die Rechtswidrigkeit â ausnahmsweise entfallen lieĂ. Im zweiten Urteil von 1993 blieb das Bundesverfassungsgericht bei der Schutzpflicht, rang sich aber dennoch dazu durch, eine pauschale Fristenlösung unter der MaĂgabe zu akzeptieren, dass der weiterhin rechtswidrige Abbruch bis zur 12. Woche nur dann straffrei blieb, wenn zuvor eine Beratung (daher: âBeratungslösungâ) erfolgt war.
Bei diesen beiden Urteilen nun spielte die MenschenwĂŒrde eine merkwĂŒrdige, fĂŒr sie allerdings charakteristische Doppelrolle. Sie ist einerseits Rechtssatz. Im besagten ersten Absatz des ersten Grundgesetzartikels steht sie wohl als ein Grundrecht unter anderen. Diese (abwehr-)rechtliche Seite verbietet konkrete Eingriffe absolut, etwa die Folter oder den Abschuss eines von Terroristen entfĂŒhrten Flugzeugs. Ist der sogenannte Schutzbereich der MenschenwĂŒrde einmal berĂŒhrt, kann das staatliche Handeln unter keinem Gesichtspunkt mehr gerechtfertigt sein. Auf diese Hinsicht kam es in beiden Urteilen indes niemals an. Das ist auch kaum ĂŒberraschend, denn durch die Tötung eines Menschen ist dessen MenschenwĂŒrde nicht per se verletzt. Das Grundgesetz erlaubt in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG ausdrĂŒcklich, in das Lebensrecht aufgrund eines Gesetzes einzugreifen. Weiterhin hĂ€tte das Gericht andernfalls auch keine wie auch immer gearteten Ausnahmen von der Strafe zulassen können. Das Grundrecht der MenschenwĂŒrde ist der AbwĂ€gung nicht zugĂ€nglich.
Was also ist uns die MenschenwĂŒrde noch? Sie ist ein Wert. Ohne die philosophisch recht tragische Geschichte des modernen Wertbegriffs aufrollen zu wollen, ist doch festzustellen, dass wir es mit einem höchst ambivalenten Gegenstand zu tun haben. In Sonderheit das Bundesverfassungsgericht bedient sich seit dem LĂŒth-Urteil von 1958 mit gröĂter Hingabe dieser Kategorie, um bestimmte verfassungsrechtliche Herleitungen metaphorisch ausladend auszuschmĂŒcken. Die MenschenwĂŒrde ist dabei als gesetzter âMittelpunkt des Wertsystems der Verfassungâ besonders vielseitig einsetzbar. Im Rahmen des Schwangerschaftsabbruchs spielt sie eine bemerkenswerte Rolle. Weniger fungiert sie hier als Rechtsgrund, denn vielmehr als basso continuo eines höchstrichterlich erkannten sittlichen Minimums. FĂŒr den âSchutz des ungeborenen Lebensâ hĂ€tte es ja keinen Unterschied gemacht, ob die Eizelle subjektiv ab Befruchtung an der MenschenwĂŒrde teilhat oder das Lebensrecht diesen Vorgang lediglich objektiv zu schĂŒtzen verpflichtet. In beiden FĂ€llen wĂ€re die Kriminalisierungspflicht das Ergebnis gewesen.
Was die Verleihung der MenschenwĂŒrde an diese jeweilige Eizelle dahingegen ermöglicht, ist die Konstitution eines eigenstĂ€ndigen Subjekts im Mutterleib. Somit ist dem Schwangerschaftsabbruch nicht nur verfassungsrechtlich die Strafbarkeit verordnet, ihr ist auch vom âWertsystemâ des Grundgesetzes â oder den Richtern (sic!) des damaligen Ersten Senats â eine âsozialethische MiĂbilligungâ erteilt. Diese ĂŒbervĂ€terliche AnmaĂung des Gerichts notierten Richterin v. BrĂŒnneck und Richter Simon in einem Sondervotum, und erwiderten spitz: âIn einem pluralistischen, weltanschaulich neutralen und freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen bleibt es den gesellschaftlichen KrĂ€ften ĂŒberlassen, Gesinnungspostulate zu statuieren.â In der zweiten Entscheidung von 1993 wird der Sittlichkeitspathos zwar oberflĂ€chlich weitgehend zurĂŒckgefahren, die âintensive, die Frau existentiell [!] betreffende Pflicht zum Austragen und GebĂ€ren des Kindesâ lĂ€sst sich der Senat gleichwohl nicht nehmen. Der Frau als Schwangeren bleibt das âWertsystemâ des Grundgesetzes ein stahlhartes GehĂ€use.
Insofern stehen Kommissionsbericht und Festschriftbeitrag tatsĂ€chlich im Widerspruch zur ĂŒberkommenden Verfassungsauslegung des Bundesverfassungsgerichts. Das ist, anders als in diesen Tagen nicht selten unterstellt, keineswegs unĂŒblich. In der Rechtswissenschaft werden regelmĂ€Ăig Ansichten vertreten, die von denen des Gerichts abweichen â obgleich dessen Rechtsprechung in letzter Zeit gerade das Lebensrecht von kryptotheologischer VerselbststĂ€ndigung (âLebenspflichtâ) auf persönliche Autonomie umgesattelt hat (vgl. insb. die Auseinandersetzung mit christlichen Standpunkten im Urteil zum Verbot geschĂ€ftsmĂ€Ăiger Sterbehilfe, Rn. 208-211). Ob sich die verfassungsrechtlich verbrĂ€mten âGesinnungspostulateâ des Jahres 1975 gegen eine echte demokratische Aushandlung im Mehrheitsverfahren weiter sperren können, ist eine mindestens diskussionswĂŒrdige Frage. Im Nachgang des Kommissionsberichtes sprachen Melina Reyher und Luisa Weyers daher von einem möglichen âneuen Kompromissâ. Dass im Ăbrigen eine staatliche Einrichtung (und eine solche ist das Bundesverfassungsgericht entgegen einem verbreiteten Volksglauben genauso wie die Bundesregierung) der Wissenschaft keine geistige Marschroute vorgeben kann, dĂŒrfte sogar vielleicht von der Wissenschaftsfreiheit intendiert sein.
In Anbetracht der dargelegten Rechtsprechung wird allerdings ebenfalls allzu einsichtig, warum sich die MenschenwĂŒrde fĂŒr jene konturlose, totalisierte, enthemmte Diskursdynamik besonders gut hergibt, die in den letzten Tagen so fĂŒrchterlich ĂŒber die deutsche Ăffentlichkeit hereinbrach: Die Behandlung der MenschenwĂŒrde in spezifisch juristischen Kontexten, mitsamt deren methodischen und geltungstheoretischen Annahmen, lĂ€sst sich umstandslos in die polemische Gefechtszone universalistischer Moral hineintragen. Wer die MenschenwĂŒrde mit dem herkömmlichen juristischen Instrumentarium als Recht behandelt, lĂ€uft unmittelbar Gefahr, ihr als âWertâ ausgeliefert zu sein. So kann man in der Zeitung âDie Weltâ, in âNiusâ oder aus dem rechtskatholischen Milieu heraus Frauke Brosius-Gersdorf der vermeintlich fehlenden âAchtungâ der MenschenwĂŒrde bezichtigen, aus der gesellschaftlichen âMitteâ â knapp 75% der Deutschen befĂŒrworten einen rechtmĂ€Ăigen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen â verbannen und sie mitunter auch kaum verhohlen als Menschenfeindin diffamieren, ohne dass der ursprĂŒngliche, wissenschaftliche Publikationszusammenhang dort jemandem Grund zum Zögern gibt. Eine rechtswissenschaftlich abgestĂŒtzte Kritik beansprucht niemand auch nur ansatzweise; man hat eben immerhin die MenschenwĂŒrde zur Hand, mal moralisch, mal theologisch, nie juristisch.
Die hier beschriebenen Gefahren der Wert-MenschenwĂŒrde sind in einem kleinen Privatdruck des Jahres 1960 so idiosynkratisch wie ertragreich ausgearbeitet. Verfasst wurde die Schrift namens âDie Tyrannei der Werteâ von Carl Schmitt, dem Neu-Kantianer des Kaiserreiches, legitimitĂ€tsbesessenen RechtsautoritĂ€ren der Weimarer Republik und legalitĂ€tsverachtenden Kronjuristen des Nationalsozialismus, der in den Nachkriegsjahren urplötzlich seine innige Liebe zur gesetzlichen Form entdeckte. Mit Max Weber weist Schmitt auf die besondere Kompromisslosigkeit des âWertdenkensâ hin. FĂŒr ihn lauert der BĂŒrgerkrieg gleich hinter der nĂ€chsten Ecke. Ungeachtet des paranoiden Tons und der teilweise unertrĂ€glich durchsichtigen Larmoyanz des Textes hĂ€lt er doch eine immer noch wertvolle Einsicht bereit: Werte kennen kein Verfahren, keine rationale Vermittlung, und keine rechtsstaatliche Trennung von Staat und Gesellschaft. Sie sind dem liberalen Staat eigentlich fremd.
Trotzdem kann mit ihnen, wie der mittlerweile recht ausgefeilte Wertformalismus des Bundesverfassungsgerichts pragmatisch beglaubigt, dogmatisch und vor allem rechtspraktisch ĂŒberraschend rechtssicher hantiert werden. Was immer dem Gericht die Werte zu Anfang bedeuteten, sie sind heute grundsĂ€tzlich in eine liberal gezĂ€hmte Begriffssprache assimiliert worden. Wissenschaftlich indes sind dabei nicht bloĂ weiterhin die bekannten autoritĂ€ren Potentiale von scheinbar objektiven Werteordnungen kritisch zu reflektieren. Es ist ebenso darĂŒber nachzudenken, welche diskursiven SprengsĂ€tze das lĂ€ngst nicht mehr auf die Rechtswissenschaft beschrĂ€nkte Wertdenken in die Ăffentlichkeit eingebracht hat. Einer hat jedenfalls letzten Freitag gezĂŒndet, und der Schaden an Person wie Institution ist groĂ.
Redaktionelle Notiz: Der Text enthielt in einer frĂŒheren Fassung den Hinweis, dass der Zweite Senat des BVerfG nicht mit verfassungsrechtlichen Fragen des Schwangerschaftsabbruchs befasst werden wĂŒrde. Der Hinweis ist nachtrĂ€glich entfernt worden.
The post Die Sache mit der MenschenwĂŒrde appeared first on Verfassungsblog.
Einen Kommentar zur derzeit schwebenden Wahl eines Richters und zweier Richterinnen an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abzugeben, fĂ€llt mir nicht leicht, weil man sich den Betroffenen fachlich wie menschlich verbunden fĂŒhlt. Der beschĂ€mende Umgang mit dem Wahlvorgang und zwei fachlich offenkundig hervorragend geeigneten Kolleginnen hat viele empört â auch mich. Empörung ist aber nie ein guter Ratgeber. Die Causa bietet jedoch einen Anlass, sich die rechtliche Funktion des Wahlverfahrens, dessen ungeschriebene Voraussetzungen und damit die Gelingensbedingungen von ĂŒberzeugenden Richterwahlen nĂ€her anzusehen.
Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) regelt im Wesentlichen nur das Wahlverfahren fĂŒr die Richterinnen und Richter des BVerfG. Die vom Bundestag zu berufenden Richterinnen und Richter werden nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auf Vorschlag des Wahlausschusses (§ 6 Abs. 2 BVerfGG) ohne Aussprache mit verdeckten Stimmzetteln gewĂ€hlt. Die vom Bundesrat zu berufenden Richterinnen und Richter werden nach § 7 BVerfGG mit zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates gewĂ€hlt. Thematisiert werden also nur die Mechanismen der Legitimationssicherung, wĂ€hrend die vorgelagerte Personalauswahl vom Gesetz nicht adressiert wird und weitgehend opak bleibt. Klar ist aber, dass die entscheidende Personalfindung im Vorfeld stattfinden muss und zugleich zwischen Bundestag und Bundesrat zu koordinieren ist, um eine ausgewogene Gesamtbesetzung des Gerichts zu gewĂ€hrleisten.
Welche persönlichen Anforderungen an Richterinnen und Richter zu stellen sind, bleibt weitgehend ungeregelt. Das Gebot der Auswahl nach Eignung, BefĂ€higung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) gilt richtigerweise nicht. Das Wahlverfahren nach Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG ist lex specialis und bindet die wĂ€hlenden Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat nicht an materielle Auswahlkriterien. § 3 Abs. 1-2 BVerfGG enthĂ€lt lediglich formale Bedingungen der WĂ€hlbarkeit (Mindestalter, BefĂ€higung zum Richteramt). Eine vernĂŒnftige Personalauswahl, die den Funktionen und Aufgaben des BVerfG gerecht wird, wird daher den politischen KrĂ€ften anvertraut, die einen Wahlvorschlag vorbereiten. Das hat auch in den bald 75 Jahren Geschichte des BVerfG im GroĂen und Ganzen recht gut funktioniert.
Besetzt werden soll kein politisches Organ, sondern ein Gericht, das auch das BVerfG â bei allen Besonderheiten seiner Entscheidungskompetenzen â bleibt (§ 1 BVerfGG). Der Umgang mit dem Verfassungsrecht erfordert daher zunĂ€chst einmal belegte hohe juristische ProfessionalitĂ€t. Verfassungsinterpretation ist anspruchsvoll. Obgleich die unhintergehbare Kontingenz bei der Ausdeutung offener Verfassungsbestimmungen nicht werturteilsfrei möglich ist, geht es weniger um â in der Politik gerne beschworene, aber oft nur intellektuelle Hilflosigkeit markierende â âWerteâ, sondern vorrangig um solides Handwerk. Einzelne Richterinnen und Richter mĂŒssen in der Lage sein, einen heterogenen achtköpfigen Senat fachlich zu ĂŒberzeugen. Das gelingt nur mit juristischen Argumenten, nicht mit einer politischen Agenda.
Wichtiger als inhaltliche Positionierungen in einzelnen Sachfragen ist daher die zu erwartende BegrĂŒndungsqualitĂ€t, also die methodische Stringenz und Ăberzeugungskraft, sowie die FĂ€higkeit, juristische Argumente nachvollziehbar (und damit: kritisierbar) zu vermitteln. Nicht weniger wichtig ist die Bereitschaft, andere Positionen ernst zu nehmen und sich mit ihnen seriös auseinanderzusetzen. Ob das geschieht oder nicht, lĂ€sst sich gerade bei Professorinnen und Professoren vergleichsweise einfach verifizieren, haben diese doch typischerweise umfangreich veröffentlicht. DiskursfĂ€higkeit hĂ€ngt weniger von mitunter streitbaren Ausgangspositionen als von der Bereitschaft ab, diese zu reflektieren und entscheidungsorientiert zu ĂŒberdenken.
Wenn man ausgezeichnete Staatsrechtslehrerinnen und Staatsrechtslehrer am Gericht haben möchte, muss man auch damit leben, dass diese mitunter eigenwillige Positionen vertreten (haben). Wissenschaftliche Karrieren werden nicht durch NacherzĂ€hlen der BVerfG-Rechtsprechung gemacht und wir alle erwarten von einer Wissenschaft, die gerade im Verfassungsrecht kritische Gegenöffentlichkeit zu den Praktiken der staatlichen Organe sein soll, genauer hinzusehen, festgefahrene Dogmen zu hinterfragen und â vielleicht auch einmal provokativ â bessere BegrĂŒndungen einzufordern.
Konsensbasierte Verfassungsrechtsprechung eines Kollegialgerichts funktioniert zudem anders als die Entfaltung individueller Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG). Die unterschiedlichen Rollenfunktionen von individueller Wissenschaftlerin einerseits und Richterin in einem Kollegialgericht muss man unterscheiden können. Die wissenschaftlich geschulte FĂ€higkeit, genau hinzusehen und Konflikte prĂ€zise zu adressieren, dĂŒrfte hingegen unabhĂ€ngig vom eigenen Ausgangspunkt immer helfen, Entscheidungen noch besser zu machen. Wer hingegen plump politische PassfĂ€higkeit honoriert, schadet nicht nur dem Gericht, sondern verschenkt auch reale Einflusschancen auf die Rechtsprechung. Das BVerfG ist kein verlĂ€ngerter Biertisch der Nation â oder sollte es jedenfalls nicht werden.
Die Staatsrechtslehre sollte sich wiederum selbstkritisch fragen, ob der Hang einiger Mitglieder, verfassungsrechtliche Positionen in simple politische Botschaften im X-Format umzugieĂen, nicht genau der NĂ€hrboden ist, auf dem Diskurse politisiert eskalieren. Wer 100 Seiten Bundesverfassungsgerichtsbeschluss auf ein paar polemische Kurzbotschaften reduziert, suggeriert ein Niveau von Verfassungsrecht, auf dem dann wirklich jeder nach politischem Gusto mitreden kann.
Aus den Erwartungen an eine gelungene Personalauswahl ergeben sich Anforderungen an die informale Organisation der Wahlvorbereitung durch die Politik. Die Beurteilung, ob jemand entsprechende QualitĂ€ten mitbringt oder nicht, setzt unvermeidbar akribische Vorbereitungen (durch geeignete StĂ€be) voraus, die wissenschaftliche Positionen in ihrer BegrĂŒndungsqualitĂ€t, Sorgfalt und Differenziertheit analysieren. Man muss sich sehr genau ansehen, ob vertretene Positionen nachvollziehbar wissenschaftlich begrĂŒndet sind oder camouflierte politische Statements mit ein paar angeklebten AnstandsfuĂnoten bleiben. Vertretene Interpretationen sind in den Meinungsstand einzuordnen, der immer breiter sein wird als der verfassungsdogmatische Mainstream.
Gerade weil Verfassungsinterpretation mehr als professionelles Verfassungshandwerk ist, kommt es darauf an, innerhalb eines Korridors des Ernstzunehmenden auf die pluralistische Ausrichtung des Gerichts insgesamt zu achten. Argumentative QualitĂ€t und Pluralismus der Positionen sind keine Garantie fĂŒr ausgewogene Rechtsprechung, aber doch immer noch das beste Sicherheitsnetz gegen Einseitigkeiten, politische Vereinnahmung oder mangelnde epistemische HĂ€rte in der Rechtsprechung des Gerichts. Daran sollten eigentlich alle Mitglieder des Deutschen Bundestags ein gemeinsames Interesse haben. Bei Professorinnen und Professoren ist daher eine grĂŒndlichere Aufbereitung des wissenschaftlichen Werkes kaum verzichtbar, bei den Berufsrichterinnen und -richtern kommt es vermutlich auf Beurteilungen innerhalb der obersten Bundesgerichte an, wenn man es mit der RechtsprechungsqualitĂ€tssicherung ernst nimmt. Wer hingegen in den wissenschaftlichen Positionen einer zur Wahl vorgeschlagenen Professorin vornehmlich seine eigenen politischen âWerteâ sucht, hat weder die Funktion pluralistischer Personalauswahl noch die Arbeitsmechaniken von Verfassungsrechtsprechung richtig verstanden. Das sollte peinlich sein.
Der irrlichternde Umgang mit Frauke Brosius-Gersdorf bietet gleich kumuliertes Anschauungsmaterial, wie Richterwahlen nicht ablaufen sollten. UrsprĂŒnglich entzĂŒndete sich Streit an Positionen zum Lebensschutz Ungeborener. Das verwundert. Es ist seit Jahrzehnten in der Grundrechtsdogmatik umstritten, ob Lebensschutz untrennbar mit der Zuschreibung von MenschenwĂŒrde verbunden ist (so die Linie des BVerfG, die auch ich fĂŒr richtig halte) oder ob beides entkoppelt werden sollte, was nicht nur Brosius-Gersdorf, sondern viele in der Staatsrechtslehre mit nachvollziehbaren Argumenten vertreten. Hier geht es um einen dogmatischen Meinungsstreit, dessen Folgen vermutlich ĂŒberschaubar bleiben. Selbst wenn man Embryonen und Föten MenschenwĂŒrde zuschreibt, ist damit die Frage der Rechtsfolgen noch nicht beantwortet, die hieraus qua staatlicher Schutzpflicht gezogen werden. Das ist schwierig und wird â wie jeder mehrpolige Grundrechtskonflikt â immer differenzierte Konzepte staatlicher Intervention erfordern. In der AbwĂ€gung liegt die StĂ€rke unseres Grundrechtsmodells. In welchem Umfang Kriminalisierung zum wirksamen Schutz Ungeborener notwendig ist, kann man unterschiedlich bewerten. Unterscheidet sich das aus krummem Holz geschnitzte Konzept folgenloser Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, das das BVerfG erfunden hat, wirklich substantiell von dem, was gegenwĂ€rtig als âLiberalisierungâ diskutiert wird? Die in der dogmatischen Stringenz verkorkste Rechtsprechung des BVerfG zum Abtreibungsstrafrecht (BVerfGE 39, 1; 88, 203) war â wenig verwunderlich â von Anfang an von Kritik begleitet, und zwar von beiden Seiten. WĂ€hrend einige den Lebensschutz nicht konsequent genug verwirklicht sehen, beklagen andere eine Ăberdehnung der Schutzpflichten zu Lasten des Persönlichkeitsrechts der Schwangeren. FĂŒr beide Perspektiven gibt es gute Argumente. Sollte man darĂŒber nicht verfassungsdogmatisch streiten können?
Mitglieder des Deutschen Bundestags bilden ein breites Spektrum an Sozialisationen, Lebenserfahrungen und beruflichen HintergrĂŒnden ab â ob breit genug, steht auf einem anderen Blatt. Niemand muss jedenfalls Expertin oder Experte der Verfassungsauslegung sein und sich mit den mitunter verĂ€stelten Fragen der Verfassungsdogmatik trittsicher auskennen. Das ist fĂŒr kluge Wahlentscheidungen auch nicht nötig, so wenig wie der Deutsche Bundestag ĂŒber Steuergesetze abstimmt, deren Regelungsgehalt 630 Abgeordnete verstanden haben.
Es stĂŒnde dann aber allen besser zu Gesicht, ZurĂŒckhaltung zu ĂŒben, wenn es um die Bewertung verfassungsdogmatischer Positionen geht, die wissenschaftlich zu begrĂŒnden und einzuordnen sind, aber keine politischen Bekenntnisse abbilden sollen. Wertepathos ist ein schlechter Kompass, um durch komplexe Verfassungsdogmatik zu navigieren. Hier gilt wie ganz allgemein die Maxime parlamentarischer Arbeitsteilung im gegenseitigen Vertrauen nach dem Berichterstatterprinzip. Die Freiheit des Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) ist auch die Freiheit, sich Sacharbeit nach unterschiedlichen Erfahrungen, FĂ€higkeiten und Arbeitsthemen zu teilen. Aus diesem Grund ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch der vorgreifliche Vorschlag des professionalisierten Wahlausschusses konstitutiv fĂŒr die Plenumswahl. Vertrauen in den dort aggregierten Sachverstand muss man freilich organisieren. Das setzt FĂŒhrungskompetenz in den Fraktionsspitzen voraus. Wenn hingegen die Wahl der Richterinnen und Richter zu einer rebellischen Bauchentscheidung mit diffusem Wertegrummeln auf der Informationsgrundlage aus dem Kontext gerissener Zitate verkommen sollte, wĂŒrde der Deutsche Bundestag als fachspezifisches Wahlorgan versagen.
In den bisherigen Debatten ist ein weiterer Aspekt unterbelichtet geblieben. Alle drei Vorgeschlagenen wĂ€ren nach der bis 2015 geltenden Rechtslage gemÀà § 6 BVerfGG a. F. bereits gewĂ€hlt, und zwar durch den Wahlausschuss. Man hatte sich jedoch seinerzeit entschieden, den zwölf Abgeordnete umfassenden Wahlausschuss (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) auf eine (konstitutive) Vorschlagsfunktion zu reduzieren und die Wahl dem Plenum des Deutschen Bundestags zu ĂŒbertragen. Das Neunte Gesetz zur Ănderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vom 24. Juni 2015 (BGBl. I S. 973) schuf die gegenwĂ€rtige Regelung des § 6 BVerfGG. Vielleicht ist es gerade jetzt eine gute Zeit, daran zu erinnern: Die Reform der Richterwahl erfolgte durch einen gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Die Linke und BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen (BT-Drs. 18/2737), folgte also gemeinsamer demokratischer Verantwortung, keinem Eiertanz um UnvereinbarkeitsbeschlĂŒsse. Die GesetzesĂ€nderung geschah freilich ohne verfassungsrechtliche Not, denn das BVerfG hatte die lange umstrittene mittelbare Wahl der Richterinnen und Richter nach der frĂŒheren Rechtslage fĂŒr verfassungskonform erachtet (BVerfGE 131, 230, 234 ff.; 142, 1, 3 f.). Tragend waren vielmehr demokratiepolitische ErwĂ€gungen.
Ein Blick in die Plenardebatte (Plenarprotokoll 18/106, S. 10193-10197) ist noch immer aufschlussreich: Man wollte â so Matthias Barke (SPD) â âdie hohe LegitimitĂ€t des Bundesverfassungsgerichtsâ erhalten und dazu âein Wahlverfahren fĂŒr das höchste deutsche Gericht korrigieren, das seit Jahrzehnten verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch hochstrittig warâ. Nur eine Wahl im Plenum werde â so Richard Pitterle (Die Linke) â âder Bedeutung dieses Gerichts, das Entscheidungen mit Gesetzeskraft trifft und das auch Entscheidungen des Bundestages revidieren kann, erst wirklich gerechtâ. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) betonte das Anliegen, gröĂere Transparenz zu schaffen und wies darauf hin, dass es nicht nur um rechtliche Qualifikation, sondern z. B. auch um Lebenserfahrung, Geschlecht oder regionale ReprĂ€sentation gehe. Die Plenarwahl werde âdie Legitimation des Bundesverfassungsgerichts [âŠ] stĂ€rkenâ. Renate KĂŒnast (BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen) wollte gar âeine Schieflageâ beseitigen, âum dem Verfassungsgericht mehr WĂŒrde zu gebenâ. Sie beklagte, dass die Wahl im Wahlausschuss âdoch kuriosâ sei, wĂŒrde dort âmehr Geheimhaltung [âŠ] als an manch anderen Ortenâ geĂŒbt.
Das sind alles redliche und nachvollziehbare demokratiepolitische ErwĂ€gungen. Aber von Anfang an gab es auch â wie sich nunmehr zeigt: nicht völlig unberechtigte â Sorgen, dass eine Verlagerung aus dem geschĂŒtzten Raum des Wahlausschusses in das Plenum zu einer Politisierung der Richterwahl fĂŒhren könnte, die die vorgeschlagenen Personen und damit mittelbar auch das Gericht beschĂ€digt. Erst recht stieĂ der heute wohlwollend als naiv zu bezeichnende Wunsch von Renate KĂŒnast, sogar öffentliche Anhörungen im Rechtsausschuss durchzufĂŒhren, auf (weitsichtige) Skepsis bei Katarina Barley (SPD), die nĂŒchtern erwĂ€hnte, dass sich das bisherige Verfahren im Wahlausschuss doch eigentlich bewĂ€hrt habe und âein Verfahren, das dem amerikanischen Ă€hnelt, unserer Art, Verfassungsrechtsprechung zu betreiben, nicht gerecht wirdâ. Legitimationspolitik kann nicht unpolitisch bleiben und die Ăbertragung der Wahl auf das Plenum erfĂŒllt einen Sinn nur dann, wenn damit die PolitizitĂ€t erhöht wird, was aber gewisse Politisierungsrisiken in Kauf nimmt.
Wie mit einem Wahlverfahren praktisch umgegangen wird, lĂ€sst sich gesetzlich nur begrenzt steuern. Gefordert ist die Parlamentskultur, um die es seit einiger Zeit nicht nur gut bestellt ist. Ein anderes Verfahren der Richterwahl braucht andere Praktiken der Willensbildung. Nicht zuletzt mĂŒssen diese gewĂ€hrleisten, dass in der Bewertung komplexe Personalentscheidungen, die auf fachlicher Grundlage getroffen werden, nicht durch eine billige Popularisierung auf dem Niveau von Social Media-Halbwissen wieder auf dem Weg zum Plenarbeschluss entwertet werden.
Die hĂ€sslichen UmstĂ€nde im Kontext der nicht gescheiterten, sondern verschobenen Wahl haben dem Deutschen Bundestag erst einmal Zeit verschafft. Die Zeit sollte genutzt werden, die offenbar versĂ€umte AufklĂ€rungsarbeit nachzuholen und offenkundige MissverstĂ€ndnisse ĂŒber Positionen abzurĂ€umen. Vielleicht sind Vorstellungsrunden in den Fraktionen sogar ein geeigneter Weg, ein differenziertes Bild zu zeichnen, unberechtigte Sorgen zu entkrĂ€ften und berechtige Nachfragen zufriedenstellend zu beantworten. Der Deutsche Bundestag mĂŒsste auch mit Blick in die Zukunft neue Formen erproben, wie mit der 2015 institutionalisierten Plenumsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG sensibel und funktionsadĂ€quat in einem stĂ€rker polarisierten Parlament umzugehen ist. Gelingt das nicht, beschĂ€digt sich der Deutsche Bundestag vor allem selbst.
The post Parlamentskultur und Bundesverfassungsrichterwahl appeared first on Verfassungsblog.
The right to a healthy environment is at the heart of the landmark Advisory Opinion 32/25 (AO-32/25) on the climate emergency from the Inter-American Court of Human Rights (IACtHR). After a detailed description of scientific evidence about the devastating impacts of the climate crisis, the IACtHR devoted more than thirty pages of its 234-page opinion to describing the content of the right to a healthy environment and the associated obligations of States. The IACtHR described the ongoing climate emergency as an existential threat to the future of humankind (paras. 289, 302), and identifies the right to a healthy environment âas the principal right affected by climate changeâ (para. 268). This blog post addresses three points related to the articulation of rights in the advisory opinion, namely the right to a healthy climate, the rights of Nature, and the recognition of a new jus cogens norm prohibiting massive and irreversible damage to the climate and the environment.
In AO-32/25, the IACtHR began its analysis of the right to a healthy environment, a right recognized in Article 11(1) of the San Salvador Protocol to the American Convention on Human Rights, by reiterating highlights of its earlier jurisprudence. Echoing its widely cited Advisory Opinion 23/17 (AO-23/17) on human rights and the environment, the IACtHR again described the right to a healthy environment as âfundamental to the existence of humanityâ (para. 272).
The IACtHR also drew upon three of its earlier rulings in contentious cases involving the right to a healthy environment, all issued in 2024. In Pueblos Rama Y Kriol, Comunidad Negra Creole IndĂgena De Bluefields Y Otros Vs. Nicaragua, the IACtHR described the right to a healthy environment as comprised of a set of procedural and substantive elements. The procedural elements include access to information, public participation in environmental decision-making and access to justice with effective remedies. The substantive elements mentioned by the IACtHR include air, water, food, ecosystems and the climate, among others, as articulated by the UN Special Rapporteur on human rights and the environment.
In Inhabitants of La Oroya v. Peru, the IACtHR confirmed that clean air and clean water are substantive elements of the right to a healthy environment, effectively meaning that people have the right to breathe clean air and access safe and sufficient water. In Uâwa Indigenous People and its members v. Colombia, the IACtHR highlighted that States must address the triple planetary crisis of the climate emergency, biodiversity loss and pervasive toxic pollution in an integrated, rights-based manner in order to fulfill their obligations under the right to a healthy environment.
The right to a healthy environment is consistently described by the IACtHR as an autonomous right, with individual and collective dimensions. At the individual level, environmental damage can have direct and indirect impacts on health, livelihoods, access to water, cultural practices, and more. At the collective level, the right belongs to present and future generations, both of whom require a healthy environment in order to survive, develop and flourish. Because of the wide-ranging impacts of environmental damage, the IACtHR reasoned, protection of the right to a healthy environment is a prerequisite for the enjoyment of all human rights. As the Supreme Court of Brazil (Supremo Tribunal Federal) warned in 2022 (see here), âthere are no human rights on a dead or sick planet.â
In AO-32/25, the IACtHR clarified that the right to a healthy climate is a substantive element of the right to a healthy environment. The IACtHR defines this right as requiring âa climate system free from anthropogenic interference that is dangerous to humans and to Nature as a wholeâ (para 300). Because the right to a healthy environment belongs to both present and future generations, States must avoid placing disproportionate burdens on either, by taking climate action (e.g. transitioning from fossil fuels to renewables) too slowly or too quickly.
The IACtHR explained that the right to a healthy environment and the right to a healthy climate require States to establish, implement and enforce a wide-ranging suite of measures to address the climate emergency (paras. 266 ff). These include mitigating and adapting to climate change, protecting Nature and making progressive strides towards sustainable development. States are obligated to use the best available science and technology, complemented by traditional, local and Indigenous knowledge to address climate change.
For mitigation, States must: regulate, monitor and control, and require and approve environmental impact studies. Regulation includes defining a mitigation target, developing and implementing a rights-based mitigation strategy, and regulating the behavior of businesses. Regarding the appropriate target, the IACtHR highlighted the international consensus in the Paris Agreement on a temperature increase of no more than 1.5 °C above pre-industrial levels as valuable, but warned that even this seemingly ambitious goal does not eliminate the risk to millions of people in the region. Mitigation targets are to be as ambitious as possible, informed by a nationâs current and cumulative historical greenhouse gas (GHG) emissions, its capacity to contribute to mitigation measures, and other national circumstances (e.g. debt, poverty, inequality), with the long-term goal of being carbon neutral. States must adopt âbinding measuresâ to achieve the mitigation target, apply the maximum available resources, avoid reliance on unproven technologies, and target the main sources of emissions (fossil fuels, agriculture and deforestation).
States must ensure that both domestic and international policies are consistent with climate mitigation objectives, a requirement which would seem to bring into question current policies ranging from fossil fuel subsidies to investor-State dispute settlement provisions in international trade and investment agreements that impede climate action (paras. 344, 351). The IACtHR repeatedly emphasized the importance of applying the polluter pays principle (e.g. paras. 216, 287, 350), and urged States to eliminate emissions of short-lived climate pollutants, such as methane, as quickly as possible (because this category of GHGs exacerbates the climate crisis in the short-term, para. 50).
With respect to fulfilling the rights to a healthy climate and environment through protecting Nature and increasing ecosystem resilience, mitigation strategies also must include âmeasures aimed at protecting biodiversity and ecosystems, particularly those that play a key role in the regulation of the climate system and the planetâs natural cycles, including the oceans and the marine and coastal environment, soils, forests and mangrovesâ (para. 339). According to the IACtHR, States must expand terrestrial and marine protected areas with a focus on ecosystems particularly vulnerable to climate change impacts (para. 366). In Latin America and the Caribbean, the IACtHR highlighted the Amazon, wetlands, coral reefs, mangroves, the Andean Altiplano and its tropical glaciers, the Mesoamerican Barrier Reef System, the La Plata Basin and the ChocoÌ Region (Tumbes-ChocoÌ- Magdalena) as ecosystems particularly susceptible to climate change (para. 366).
The IACtHR also called for the development of regional platforms for sharing climate information; assessing impacts and risks and planning appropriate adaptation measures based on science and traditional, local and Indigenous knowledge; and establishing and implementing effective mechanisms to monitor and evaluate the strategies and policies developed.
Of paramount importance to address climate change is the obligation of prevention, which requires States to regulate, supervise and oversee the activities of State-owned and private businesses that create risks to human rights. States themselves must act with enhanced due diligence because of the extremely serious impacts of the climate emergency and the urgency of effective measures to avoid irreparable impacts on people. To address emissions from businesses, States must âenact legislation obliging companies to conduct human rights and climate change due diligence along the entire value chainâ (para 347). While such legislation exists in Europe, it is unprecedented in the Americas and the Caribbean. States must also require businesses to disclose and reduce their emissions, avoid greenwashing, avoid undue influence on climate policy, and support human rights defenders (para. 347).
In AO-32/25, the IACtHR reiterated its statement from AO-23/17 that the right to a healthy environment âprotects the components of the environment, such as forests, rivers, seas and others, as legal interests in themselves, even in the absence of certainty or evidence of risk to individual personsâ (para. 273). However, the IACtHR went further in AO-32/25, pushing the boundaries of international human rights law by articulating an expansive conception of the rights of Nature as implicit in, or linked to, the right to a healthy environment because of the vital importance of healthy ecosystems and biodiversity that âmake life on the planet possibleâ (para. 273). Nature, according to the IACtHR, has the âright to maintain its essential ecological processesâ (para. 279). As a result, States âhave a positive obligation to adopt measures to ensure the protection, restoration and regeneration of ecosystemsâ (para. 283).
The IACtHR further emphasized the importance of integrating rights-based climate action and rights-based protection of Nature: âThe protection of the global climate system requires safeguarding the integrity of ecosystems and the living and non-living components that make up and sustain them. In turn, the preservation of climatic conditions compatible with life is essential to maintain the balance and functionality of these ecosystemsâ (para. 315). In all policies and actions to protect and restore Nature, States are obligated to respect the rights of Indigenous and tribal peoples, as well as other communities that have a close relationship with local ecosystems.
The rights of Nature are increasingly incorporated in legal systems in Latin America through constitutions (e.g. Ecuador, several Mexican states), legislation (e.g. Bolivia, Panama), and court decisions (e.g. Colombia, Peru). However, this concept is still at a nascent stage in the legal systems of the Caribbean, Canada, the United States and many other regions of the world. While the discussion of rights of nature in AO-32/25 is a potentially significant development, it must be noted that three judges dissented from the majorityâs ruling regarding the recognition of Nature as a subject of rights.
Another remarkable aspect of AO-32/25 is that for the first time, an international court directly confronts the existential threat posed by multiple, related planetary environmental crises. Drawing upon well-established scientific evidence, the IACtHR identified a list of human activities that threaten the ecological conditions necessary for life on Earth by directly causing irreversible damage to ecosystems, including:
The IACtHR emphasized that the âdevelopment of the normative tools necessary to make the survival of present and future generations on a habitable planet feasible constitutes a universal value that is the subject of growing concern, deliberation and action on the part of the international communityâ (para 287). This leads to the IACtHRâs conclusion that there is a jus cogens norm prohibiting human activities that have massive and irreversible impacts on the climate, the environment or the vital balance of the planetary ecosystem (see Markus Gehringâs contribution to this symposium on this point).
The IACtHR added: âIt is evident that the preservation of the vital balance of the ecosystem that makes the life of species â including our own â possible on the planet, constitutes a sine qua non condition for the validity of all human rights recognized by international law, and immediately the rights to life, integrity, health and non-discriminationâ (para. 293). This is likely to be one of the most contentious aspects of AO-32/25, as reflected in the fact that three judges dissented on this point.
Courts are understandably cautious in articulating jus cogens norms because there are no derogations permitted by these powerful normsâthey are binding on all States. Yet in light of the profound threats to human and more-than-human life posed by the climate emergency, the IACtHRâs reasoning seems unassailable. Actions that jeopardize the future of life on Earth should be prohibited by law.
In the face of recent backtracking on climate commitments by governments (e.g. United States and Canada) and businesses (e.g. major financial institutions, oil and gas companies), AO-32/25 comes at a critical juncture in the efforts to stave off an existential threat to many people, species, communities, ecosystems and nations.
Three of the most striking aspects of the ruling are the articulation of a right to a healthy climate, the expansive description of the rights of Nature, and the recognition of a new jus cogens norm prohibiting massive and irreversible damage to the climate and the environment.
Finding that a right to a healthy climate is a substantive element of the right to a healthy environment builds on a strong foundation of existing jurisprudence and is unlikely to be contentious. The right to a healthy environment enjoys widespread recognition at the national level, as 165 UN member States (over 85 percent of States) recognize this right in law. AO-32/25 is the latest in a series of developments advancing the right to a healthy environment, sparked by landmark resolutions of the UN Human Rights Council in 2021 and the UN General Assembly in 2022, that include international declarations, constitutional amendments, ground-breaking legislation, and court decisions.
The bold developments related to Nature as a subject of rights and a new jus cogens norm prohibiting irreversible damage to the climate and the environment are more likely to be controversial. While the IACtHRâs reasoning is sound on both issues, those who support the incremental development of international law through State-led negotiations rather than judicial intervention are likely to be critical.
At the end of the day, AO-32/25 marks the clearest ruling to date from an international court on the urgency of transformative changes to address the existential threat of the planetary environmental emergency caused by human activities. According to the IACtHR, the effective defence of the right to a healthy climate requires âmoving decisively towards a truly sustainable development model that harmonises human activity with the ecological limits of the planetâ (para 316). The ruling sets a high bar for the forthcoming advisory opinion from the International Court of Justice, which is also expected to address the right to a healthy environment and its implications for State action to address the climate crisis in its forthcoming advisory opinion.
The post The Right to a Healthy Environment as a Catalyst for Urgent and Ambitious Climate Action at the IACtHR appeared first on Verfassungsblog.